Römer aus Theresienthal Weblog

August 5, 2011

Berlinreise

Filed under: Vermischtes, Ziele und Zeiten — Stephan Buse @ 19:51:22

Um es gleich zu sagen: Berlin ist eine Reise wert, auch für Glassammler.
Mit der Deutschen Bahn kann man mitten ins Zentrum unserer Hauptstadt reisen, die Fahrt zum Hotel ist von dort aus bequem und schnell möglich. Das Personal der Deutschen Bahn ist freundlich, allein der Zustand des Wagenparks lässt zu wünschen übrig. Sowohl auf der Hinreise am Dienstag ein defekter Wagen im Zug (Klimaanlage ausgefallen, Reservierungssystem defekt) ebenso auch auf der Rückreise. Da ärgert es mich als Bahnkunde schon, dass Milliarden für neue Bahnhöfe verbuddelt werden, offenbar aber kein Geld vorhanden ist, den Wagenpark instandzuhalten. Auf beiden Fahrten war es auch nicht gelungen, die Wagen im Zug so zusammenzustellen, wie die Wagenstandsanzeiger am Bahnsteig es angekündigt hatten. In Rheine unterblieb der Hinweis auf dem Bahnsteig, in Berlin kam ein Hinweis, der sich aber als falsch erwies. Beides Mal ein riesen Hin und Her im bereits losfahrenden Zug. Auch das könnte die Bahn ihren Kunden gerne ersparen!
Dennoch: Ich war froh, nicht mit dem Auto nach Berlin gereist zu sein! Der Autoverkehr ist sehr rasant und unübersichtlich, Parkplätze sind kaum vorhanden, gleichzeitig aber ist das Nahverkehrsnetz so gut ausgebaut, dass man mit S- , U- und Straßenbahn und Bussen überall schnell vor Ort ist. Einzig die Buslinie 100 schien mir überlastet und mancher Bürgersteig scheint mir absolut nicht für gehbehinderte Menschen geeignet, so z.B. im Umfeld des Dorotheenstädtischen Friedhofs.
Zwei Tips für Berlinbesucher: 1. Eine dreistündige Abendschifffahrt auf dem Sonnendeck eines Ausflugsschiffes über Spree und Landwehrkanal lässt einen bei gutem Wetter (Sonnenbrille ist für die erste Stunde hilfreich) viele der städtebaulichen Sehenswürdigkeiten und viel Volk an den Ufern entdecken. 2. Bei Lutter & Wegner am Potsdamer Platz die guten Speisen und den guten Wein genießen und dabei sich so unter den Birken vor dem Restaurant platzieren, dass man den Haupteingang des gegenüberliegenden Luxushotels im Blick hat.
Aber da war ja noch das Thema Glas!
Drei Museen haben wir aufgesucht, zunächst das Bröhan-Museum gegenüber dem Schloss Charlottenburg. Anlässlich der Publikation eines umfangreichen Bestandskatalogs der kompletten Glassammlung des Museums wird zur Zeit eine Auswahl von 280 Gläsern des Zeitraums 1889-1939 gezeigt. Nicht mehr als zwei Gläser aus Theresienthal sind in dem schwergewichtigen, deshalb zum Mitnehmen ungeeigneten Katalog (für diejenigen, die sich anschließend zu Fuß zur Antikmeile in der Suarezstraße begeben wollen), abgebildet: ein Römer 1639, dessen Dekor mir unbekannt ist, und ein Römer 1640 mit Gravur 1839, beide werden auch in der Ausstellung gezeigt. Sind das die typischen Theresienthaler Jugendstilgläser? Meines Erachtens sollte man, wenn man nur zwei Gläser aus Theresienthal zeigen kann, andere Gläser wählen. Oder gibt es im Bröhan-Museum nur diese zwei Gläser aus Theresienthal? Ich gebe zu, beim Überfliegen des aus anderen Gründen recht bemerkenswerten Katalogtextes einer mir unbekannten Autorin zu Theresienthal habe ich das nicht mitbekommen. Was mir nicht nur hier auffällt: Eine Autorin, offenbar Kunsthistorikerin, von der mir kein einziger weiterer Text zu Theresienthal bekannt ist, verantwortet das Kapitel zu Theresienthal. Spezialisierte Sammler, die sich bereits Jahrzehnte auch öffentlich (leicht im Internet recherchierbar) mit diesem Thema beschäftigen, werden nicht kontaktiert. Das kann man so machen, wenn man, wie ein süddeutscher Kunsthistoriker es gerne tut, zwischen Experten und Liebhabern strikt unterscheiden will, ob es tatsächlich angebracht und sinnvoll ist, ist eine andere Frage. Was den Katalog insgesamt angeht: Wer sich nur für Theresienthal interessiert, muss diesen nicht kaufen, da er nichts Neues enthält, wer sich für Jugendstilglas insgesamt interessiert, der erhält hier ein gemessen an seinem Umfang durchaus preiswertes Werk, das sich aber aufgrund seines Gewichtes nicht leicht handhaben lässt. Ich würde mir hier eine Ausgabe auf DVD wünschen, die ich auf meinem Laptop lesen könnte, denn der ist leichter als dieses Buch und böte die Möglichkeit einer schnelleren Recherche und Stichwortsuche etc.! Darüberhinaus hatte ich den Eindruck, dass zwei weitere der in der aktuellen Ausstellung des Bröhan-Museums gezeigten Gläser aus Theresienthal stammen, eines wurde aber Köln-Ehrenfeld, das andere Oberzwieselau zugeschrieben. Das müsste noch verifiziert und gegebenenfalls geändert werden. Da man aber anders als Sammler, die diese Gläser täglich in die Hand nehmen können und entsprechende Vergleichstücke vor Augen haben, sich vermutlich nur an überlieferten Zuschreibungen orientiert, fällt das verständlicherweise den Ausstellungsmachern wohl nicht auf.
Als weiteres Museum haben wir das Kunstgewerbemuseum aufgesucht. Selten habe ich bislang ein Museum besucht, auf dem so wenige Objekte auf so großer Fläche gezeigt werden. Was vielleicht als Großzügigkeit gemeint ist, ist in meinen Augen (Platz-) Verschwendung. Aber vielleicht ändert sich das, wenn Museum und Konzept demnächst wie angekündigt in einem längeren Zeitraum überarbeitet werden. Ein Glas aus Theresienthal ist dort vierfach und unidentifiziert ausgestellt.
Das letzte Museum auf unserer Liste war das Bauhaus-Museum. Dass dort Theresienthal nicht vertreten sein würde, war klar. Klar ist mir auch wieder einmal geworden, dass mich die Ästhetik des Funktionalismus nicht zu überzeugen vermag.
Einkaufen kann man in Berlin auch, auch Glas, und auch Glas aus Theresienthal. Irritiert haben mich die dortigen Preisvorstellungen. Römer 1531 mit G.V. Liane wurden dort wiederholt (etwa ein Dutzend hätte ich einkaufen können) für mehr als 200,– Euro je Exemplar angeboten, Römer 1711 mit grünen Bändern sogar für 320 Euro. Na klar, beide wurden auch Hans Christiansen zugeschrieben….Da ist man also in Berlin nicht schlauer als anderswo! Oder ebenso schlau wie anderswo, was das Marketing angeht. Erwerben konnte ich für meine Sammlung ein Likörglas von Hans Christansen aus dem optisch gedrehten Gläsersatz und ein (vermutlich Madeira- (muss ich noch nachmessen)) Glas aus dem Satz Margot mit Streublumen von Hans von Poschinger. Hier blieben die Preise unter meinen Erwartungen, was ich aber ganz und gar nicht bedauere. Desweiteren könnte man Sektflöten aus dem Satz Kitty erwerben, leider nur b-Qualität, desgleichen Porterkelche aus dem Satz 1496 sowie weitere Jugendstilgläser, die aber durchweg zu den häufigeren Modellen gehören. Nicht mein Sammelgebiet aber: Bei einem Einkauf bei mehreren verschiedenen Händlern hätte man sich ohne weiteres einen Satz des Peter Behrens von 1898 zusammenstellen können. Ich bin nun gespannt, ob meine bei diversen Händlern hinterlassenen Visitenkarten einen Erfolg derart zeitigen, dass mir gesuchte Gläser aus Theresienthal angeboten werden. Immerhin: Die Antiquitätenhändler in Berlin wollen tatsächlich verkaufen! Anderswo habe ich da ganz andere Erfahrungen gemacht. Bemerkenswert aus meiner Sicht: Während das Angebot an Jugendstilglas durchaus annehmbar wäre, wäre man mit seiner Sammlung nicht auf Theresienthal spezialisiert und weit fortgeschritten, ist das Angebot an Historismusglas nicht der Rede wert!

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