Preisliste Theresienthal ca. 1880
Auch im Zeitalter der Datenautobahnen muss man mitunter zuwarten können, denn die Post bewegt sich zwangsläufig immer noch auf bisweilen holprigen Wegen. Doch nun ist sie da, die mir als Preisliste Theresienthal vor 1890 im Oktober avisierte Trouvaille.
Eine erste Durchsicht ergibt folgenden Befunde:
1. Die Preisliste trägt identisches Titelblatt wie die Preisliste von ca. 1890, was die Preisliste in relative Nähe zu der Preisliste von ca. 1890 zu rücken scheint.
2. Als Römerformen erscheinen lediglich die Formen RAI, RAII, 306 und R9, RAI und II dabei nicht mit dem altertümlichen Fuß, wie er in der Preisliste von ca. 1873 zu finden ist.
Also muss diese Preisliste älter sein als die Preisliste von ca. 1890, aufgrund des vereinfachten Römerfußes aber auch jünger als die Preisliste von ca. 1873.
3. Die Preisliste enthält Tafelservices, abgebildet sind jeweils die Karaffe und ein dazugehöriges Glas, die als A., B. etc. bezeichnet werden. In der Preisliste von ca. 1873 erscheinen mit identischer Bezeichnung und in identischer Form, allerdings grafisch etwas anders dargestellt und auch als “Crystall-Service”, nicht als “Tafel-Service” bezeichnet, nur die Services B., D., E. und X.. Service X. fehlt nun in der vorliegenden Liste, stattdessen tauchen aber neunzehn andere Services auf, die mit Buchstaben von A bis W. bezeichnet werden. Bemerkenswert: Das Service V. z.B. erscheint als “V.” auch noch in der Preisliste von 1907 (Band 1, Seite 124). (Aus diesem Service stammen zwei der Gläser, die in dem jüngsten Buch von Stefanja Zelasko über die Josephinenhütte unter der Nr. 82 der Glasfabrik Theresienthal abgeschrieben werden. Diese Preisliste ist nun ein Beleg dafür, dass diese Glasform bereits um 1880 (zur Datierung siehe weiter unten) in Theresienthal eingeführt ist. Sollte “Arthur Gerlach um 1890″ diese Form noch einmal für die Josephinenhütte neu erfunden haben?)
4. Die Preise der Services, die in der vorliegenden Preisliste und zugleich in der Preisliste von ca. 1873 zu finden sind (B., D., E.) notieren bei den kleineren Artikeln (z.B. Gläser) identisch, bei den größeren Artikeln (z.B. Flaschen) häufig niedriger, bei keinem Artikel aber höher als in der Preisliste von ca. 1873.
5. Ausgeführt werden die Römer in Biedermeierfarben (Crystall auf alabaster, auf dunkelgrün, auf rosa oder auf gelbgeätzt, etc.), zur Dekoration der Services erscheinen zahlreiche Gravuren, aber keinerlei Malerei, wie sie in allerersten Ansätzen (Reichswappen, Amoretten) schon in dem von mir in Band 3 auf ca. 1882 datierten Preisverzeichnis erscheint.
Marita Haller veröffentlicht auf Seite 85 ihres Buches “Theresienthal in alten Fotos” den Text einer Zeitungsannonce der Theresienthaler Glas-Niederlage in München aus dem Jahr 1885, in dem u.a. auch Malereidekore “für Renaissance-Zimmer passend” beworben werden. Von solchen Dekoren ist in diesem Preisverzeichnis keine Spur zu entdecken.
Vorläufiges Fazit: Aufgrund der gemachten Beobachtungen würde ich das mir erstmals vorliegende “Preisverzeichnis für Tafelservice …….” trotz des um 1890 wieder verwendeten Titelbildes auf die Zeit um 1880 datieren. Die in ihm angebotenen Glaswaren stehen in vielfacher Hinsicht dem Biedermeier deutlich näher als dem Historismus, von dem hier kaum ein Spur zu finden ist.