Apropos Zuschreibungen
In der aktuellen Ausgabe des Sammler-Journals vom Mai 2010 finden sich unter der Rubrik “Auktionspreise” auf der Seite 92 einige Zuschreibungen, samt Auktionsergebnissen offenbar von den jeweiligen Auktionshäusern übernommen, die äußerst fragwürdig sind:
Gleich die zweite der abgebildeten Positionen “Stängelglas (…) um 1900, Kuppa mit aufgeschmolzenen violetten Tropfen, umlaufend eingefasst mit Goldbändern”, ist wohl kaum, wie behauptet, ein Glas der Theresienthaler Krystallglasfabrik.
Bei der dritten Position werden zwei farblose Stängellgäser abgebildet und es wird nicht erkannt, dass es sich bei dem linken Glas um den Römer 1711 aus Theresienthal mit “farbigen Bändern” handelt.
Da sich die farbigen Bänder aber wie Wellenlinien um die Kuppa legen, wird auch dieses Glas, wie so viele mit wellenförmigem Dekor, tapfer Hans Christiansen zugeschrieben.
Gleiches passiert auch einem Römer 1531 mit Dekor Liane, der als “Weinpokal” bezeichnet, eben jenem Jugendstilkünstler zugeschrieben wird, der zwar nachweislich mit Entwürfen in der Produktion Theresienthals vertreten ist, dessen einzig nachweisbares Wellendekor aber ausgerechnet aus drei (!) gravierten recht parallel verlaufenden Linien besteht. Aus diesem Satz besitze ich bislang leider nur ein Wasserglas.
Die letze Position auf Seite 92 bilden zwei abgebildete Römer Form 1565 aus Theresienthal um 1902 mit “Dekor 1723 /5″, deren Herkunft zwar erkannt wird, deren genauere Identifizierung aber unterbleibt, obwohl sie leicht möglich gewesen wäre, handelt es sich doch bei diesen Gläsern um recht bekannte Theresienthaler Entwürfe.
Fazit dieser kleinen Auswahl: Vier Versuche vier verschiedener Auktionshäuser, drei mal mangelhaft und einmal mit Wohlwollen ausreichend.
Aber es heißt ja, immer mal wieder zur Entschuldigung vorgetragen, dass die Auktionshäuser kein Personal und auch keine Zeit hätte, die Zuschreibungen zu überprüfen, die ihnen von Einliefern vorgegeben würden. Warum lässt man es dann nicht einfach?
Die Folgen durfte ich gestern auf dem Dortmunder Antikmarkt erleben: Jedes Objekt mit Wellendekor (nicht nur Gläser) wurde Hans Christiansen zugeschrieben.