Theresienthal Form 791 oder Josephinenhütte 680?
Der Römer 791 aus der Glasfabrik Theresienthal, abgebildet in der Preisliste Theresienthal von 1903 ist folgendermaßen aufgebaut: auf einem glatten, sich am oberen Ende ringförmig erweiternden, Trompetenfuß mit einem ausgestellten sich leicht nach oben wölbenden unteren Rand befindet sich ein hohler nach unten geöffneter gedrückter Kugelnodus mit sechs Rosettennuppen. Darüber liegt ein weiterer flacher Nodus von geringerem Durchmesser, der mit einem Wellenband belegt ist. Auf ihm ruht die Kuppa. Hier findet sich ein Foto dieses Römers aus meiner Sammlung.
Der demgegenüber recht einfach aufgebaute Römer 680 aus der Josephinenhütte dagegen (formal vergleichbar dem allerdings etwas gedrungeneren 536iger aus Theresienthal) besitzt einen quergerippten Trompetenfuß, nur vier Nuppen und keinerlei Wellenband.
Beide Römer sind abgebildet im Band zwei zur Josephinenhütte von Stefania Zelasko auf Seite 89, einmal in der Abbildung der Preisliste der Josephinenhütte, zum anderen als Foto (Katalog Nr. 83) des Römers 791/4 aus Theresienthal mit exakt dem Dekor, das dieser Römer 791 in der Variante 4 der Preisliste Theresienthal 1903 (Buse Band 1, Seite 89) zeigt.
Wie kommt Stefania Zelasko dazu, so frage ich mich bei der Lektüre der Seite 89, diesen Römer 791/4, der nachweislich aus Theresienthal stammt, als Formnummer 680 aus Josephinenhütte zu beschreiben, obwohl die in ihrem Buch nebeneinander abgedruckten Abbildungen (Preisliste und Foto) die Unterschiede schon augenfällig werden lassen? Ist es die Liebe zur schlesischen Josephinenhütte, die hier Kleinwagen (Josephinenhütte 680) und Limousine (Theresienthal 791, gegenüber dem 680iger aus Josephinenhütte mit mehr Arbeitsgängen herzustellen) nicht unterscheiden kann? Es sage niemand, dass Kleinwagen notwendig schlechter sind als Limousinen, aber sie werden für andere Zwecke und Geldbeutel hergestellt.
Noch kurioser wird die Angelegenheit dadurch, dass es durchaus mit der Signatur “F.H. 409/2 1017″ versehene Römer fast identischer Ausformung gibt, die aber einerseits deutlich höher sind (ganze 4,6cm!) als ihre Theresienthaler Pendants 791 und andererseits anders geformte kleinere Nuppen tragen (vergl. dazu die Position 392 aus der Auktion 170 des Auktionshauses Dr. Fischer, Heilbronn).
Ebenso erscheinen aus der Sicht eines Theresienthal-Sammlers insbesondere die Zuschreibungen der Gläser unter den Katalognummern 82 und 122 an die Josephinenhütte als problematisch (=ungesichert). Spannend würde sein, zu klären, wenn es denn möglich sein sollte, wie die Gläser aus dem Theresienthaler Satz 444 (Katalognr. 82 und mitnichten beides Sektgläser) in die Josephinenhütte gelangten und dort sogar in einem Fall mit einem goldenen Stempel versehen wurden. Inkorporatio per deklaratio??? Vielleicht wollte man sich in der Josephinenhütte um 1890 das in Theresienthal erfolgreiche Modell auf diese Weise aneignen? Das Dekor des abgebildeten linken Glases ist jedenfalls identisch mit den Abbildungen in Theresienthaler Musterblättern. Auch tauchen solche Gläser bislang in keinem Verkaufskatalog der Josephinenhütte auf. Und falls doch, so hätte es die Autorin auch hier leider versäumt, die passende Abbildung aus dem Katalog dem Foto hinzuzugesellen und damit zugänglich zu machen. Dann auch könnte sich der Leser ihres Buches ein eigenes Bild machen. Auf jeden Fall macht die Autorin es sich zu leicht, wenn sie mit Hinweis auf den goldenen Stempel am Fuß des Glases und den Verweis auf einen bis dato unbekannten Entwerfer Dekor samt Form der Josephinenhütte zu- und damit Theresienthal abschreibt. Vielleicht hat auch die Josephinenhütte mitunter nur versucht, erfolgreiche Modelle anderer Glashütten für sich selbst zu nutzen. Sie wäre da kein Einzelfall. Aber wie gesagt, zunächst wäre einmal zu belegen, dass dieses Modell von der Josephinenhütte überhaupt zum Kauf angeboten wurde. Als Weinglas 444 ist es in Theresienthal bereits vor 1890 nachweisbar und wurde zum ganzen Satz erweitert dort noch 1907 in der Preisliste abgebildet. Abbildungen des Theresienthaler 444 als Weinglas und als Gläsersatz in Preislisten aus Theresienthal sind zu finden in Römer aus Theresienthal, Band 1, Seite 68 und 124 sowie in Der Glasfreund 30, Februar 2009.
Als Liebhaber der Gläser aus Theresienthal freut es mich nun, dass sich vergleichsweise wenige Theresienthaler Erzeugnisse in dieses Buch verirrt haben. Gleichwohl, hätte sich das vielleicht nicht vermeiden lassen? Leider aber scheint es so zu sein, dass man für Hinweise meinerseits in Passau keine offenen Ohren hat. So wird es wohl in der Ausstellung des Passauer Glasmuseums auch weiterhin Theresienthaler Gläser geben, die fälschlicherweise der Josephinenhütte zugeschrieben werden. Jedenfalls war das bei meinem letzten Besuch in diesem Museum im Sommer 2007 so, und meine zwischenzeitlichen Anfragen blieben unbeantwortet. Auch das eine Folge der Liebe, die nicht nur schön ist, sondern auch mitunter das genaue Hinsehen behindert und verhindert, dass man auch einmal woanders hinsieht oder hinhört!? Vielleicht aber auch, so teilte mir ein anderer Glassammler mit, die bedauerliche Folge dessen, dass man in Passau wohl einfach kein Personal und keine Zeit habe, sich um so etwas zu kümmern.
Ich bekenne freimütig, dass auch mir das mit meiner Liebe zu Theresienthal bisweilen so geht, dass sie mich am Sehen hindert, Flüchtigkeitsfehler in Veröffentlichungen entstehen etc.. So ist es wohl so, dass auch das ein oder andere Glas, dass ich auf meiner Website zeige, vielleicht nicht nach Theresienthal gehört. Wohlan, wer ist so freundlich, mir so einen Wackelkandidaten nennen? Ich meinerseits bin gerne zur Diskussion und zu notwendigen Korrekturen bereit!
Eine Rezension zu der Veröffentlichung von Stefania Zelasko erschien in der Ausgabe des Sammler-Journals vom August 2009, eine andere in der pressglas-korrespondenz.