Römer aus Theresienthal Weblog

August 7, 2009

Über die Zuschreibung von Gläsern

Filed under: Vermischtes — Stephan Buse @ 13:26:35

Zweck einer Glashütte welcher Art auch immer ist an erster Stelle die Erzielung von Gewinn. Mit welchen Produkten der Glashüttenherr diesen zu erzielen sucht, bleibt seiner unternehmerischen Fantasie überlassen. Und die große Zahl unterschiedlichster Glashütten in Gegenwart und Vergangenheit zeugt davon, dass diese unternehmerische Fantasie im wesentlichen nur durch einen Faktor begrenzt wurde, nämlich durch die Frage, ob sich die erstellten Produkte gewinnbringend absetzen ließen. So unterschiedlich die Glashütten über die Zeiten hinweg auch sind und waren, in einer Hinsicht waren sie sich sehr gleich, nämlich in Versuch und Notwendigkeit, ihre Kundschaft anzusprechen. In Zeiten vor den elektronischen Medien gelang dies den Glashütten (wie anderen Firmen auch) im wesentlichen durch Verkaufsausstellungen, Handelreisende und Preisbücher mit zunächst grafischen Abbildungen der angebotenen Glaswaren (Kataloge, Preislisten, Preiscouranten, oder wie immer man diese Druckerzeugnisse nannte).
Nur ein Glas, das auf diese Weise den Kunden angeboten wurde, konnte seinen ersten Zweck, nämlich Einnahmen für die Glashütte zu erzielen, erfüllen. Da es bei den Darstellungen in den Verkaufskatalogen auch auf große Genauigkeit ankam, denn man konnte es sich nicht leisten, dass der Kunde sich durch ungenaue oder falsche Abbildungen getäuscht fühlte, bilden diese Verkaufskataloge heute die sicherste Basis, ein Glas einer bestimmten Glashütte zuzuschreiben.
Neben den Verkaufskatalogen existieren zu unterschiedlichen Zwecken gefertigte farbige Musterblätter, Entwurfszeichnungen, Skizzen, Inventurzeichnungen etc.. Diese sind alle mit demselben Manko behaftet, dass die in ihnen gezeigten Gläser nur vielleicht in der Glashütte gefertigt wurden, aus der die entsprechenden Blätter stammen oder zu stammen scheinen. In den Skizzenbüchern eines Oskar Rauter aus Köln-Ehrenfeld finden sich Gläser, die er ungeniert von anderen Glashütten übernommen hat, in den Inventurzeichnungen der Regenhütte finden sich sämtliche Gläser des alten Lagers, auch solche, die in anderen Glashütten produziert und auf Messen als Beispiele dafür, was man selbst auch produzieren könnte, mitgenommen wurden. Im alten Firmenarchiv Theresienthals finden sich wiederum Musterzeichnungen, die nachweislich nicht aus Theresienthal stammen, die allerdings auch nicht den Namen einer anderen Glashütte tragen, schlimmstenfalls sogar den Stempel der Firma Theresienthal.
Ergo: Die einzige Möglichkeit, ein Glas einer bestimmten Glashütte sicher zuzuschreiben, ist der exakte Nachweis dieses Glases oder seines Dekores in einem für den Kunden aufgelegten Katalog. Und dieser exakte Nachweis gelingt auch nur, wenn kein form-, farb- und dekoridentisches Glas in den Katalogen einer anderen Glashütte nachzuweisen ist. Denn es gibt sie ja, die beinahe identischen Entwürfe in verschiedenen Glashütten, wobei nicht immer klar ist, wer von wem “geklaut” hat. Alle anderen Zuschreibungen allein aufgrund irgendwelcher nicht für den Endverbraucher bestimmten Skizzen etc., alle Zuschreibungen allein aufgrund irgendwelcher Aufkleber etc., insbesondere alle Zuschreibungen allein aufgrund von Aussagen wie “sorgfältige Goldmalerei mit Konturen kommt auf anderen Gläsern der Soundsohütte identisch vor”, ohne dass entsprechende Abbildungen aus Verkaufskatalogen geliefert werden können, sind meiner Ansicht nach mit allergrößter Vorsicht zu genießen. Viel weiter dagegen hilft irgendwann vielleicht einmal ein Verfahren, dass die genaue Zusammensetzung des Glases chemisch (mittels Mößbauerspektroskopie, habe ich mir sagen lassen) analysiert. Denn es ist offenbar, dass etwa das in vielen Glashütten hergestellte Antikgrün nicht nur der Farbe nach, sondern auch der chemischen Inhaltsstoffe nach variiert (je nachdem, woher die Glashütten ihre Rohstoffe bezogen) und so ziemlich sicher bestimmten Glashütten zugeordnet werden kann. Die Unterscheidung der verschiedenen Antikgrünvarianten gelingt mitunter auch nach Augenschein, ist dann aber nicht wissenschaftlich abgesichert, weil das Auge sich u.a. durch unterschiedliche Glasstärken täuschen lässt.
Deshalb muss vorerst gelten: Allein die Zuschreibung aufgrund der Auswertung alter Verkaufskataloge kann zu einem gesicherten Ergebnis führen.

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