Römer aus Theresienthal Weblog

April 9, 2011

Römer und Gläsersatz

Filed under: Vermischtes — Stephan Buse @ 20:06:37

Die seit 1996 immer wiederholte Behauptung, dass der Römer grundsätzlich ein “Einzelglas” sei und “absolut nichts mit dem Gläsersatz zu tun” habe, wird für die Glasfabrik Theresienthal spätestens mit der Preisliste aus den 1920iger Jahren widerlegt, wo der Römer ganz selbstverständlich als Teil des Gläsersatzes gelistet wird. Der Römer ist aber auch bereits um 1900 notwendigerweise von seiner Funktion her Teil eines vollständigen Gläsersatzes, denn er ist dasjenige Glas, das für den Genuss des weißen Rheinweins (unter “Rheinwein” wurde lange Zeit sämtlicher Wein, der am Rhein und seinen Nebenflüssen wuchs, verstanden) bestimmt ist. Hätte nun der Römer “absolut nichts mit dem Gläsersatz zu tun”, dann würde dies für die Gläsersätze, die Theresienthal in seiner Preisliste III von 1907 anbot, bedeuten, dass zwar stets ein Bordeaux- und ein Madeiraglas ebenso wie ein Porterkelch und häufig auch ein Bierglas als wichtig erachtet worden wären, zugleich aber ein Glas für den weißen Rheinwein in jedem Gläsersatz Theresienthals als überflüssig gegolten hätte. Dies wäre ausgerechnet in einer Zeit geschehen, als der weiße Rheinwein auf den Karten der Restaurants preislich und bei den Genießern auch im Ansehen mit Wein aus Bordeaux ohne weiteres mithalten konnte. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang, dass dies auch im Widerspruch z.B. zu manchen Gläsersätzen von Peter Behrens geschehen wäre, die in Abbildungen, die noch vor den PL Theresienthal 1907 entstanden sind, wiederholt auch einen Römer als Teil des Gläsersatzes zeigen.
Aus meiner Sicht ist es sowohl aus formaler als auch funktionaler Sicht nicht schlüssig zu behaupten, dass der Römer “absolut nichts mit dem Gläsersatz zu tun” habe, aus funktionaler Sicht, weil eben ein moderner Gläsersatz auch um 1900 ein Glas für den weißen Rheinwein keinesfalls entbehren konnte, aus formaler Sicht, weil auch in Theresienthal, das dem Römer in jener Zeit eine separate Preisliste gewidmet hat, sich zu jedem Gläsersatz ein Römer finden lässt, der sich formal und auch vom Dekor her in den Gläsersatz einfügt, auch wenn er sich nicht jederzeit zeitgleich in der Römerpreisliste nachweisen lässt und mitunter auch eine andere Formnummer trägt.
Übrigens lässt sich auch für Hans Christiansens Gläsersatz mit den “goldenen Rosen” ein “Rheinweinrömer” nachweisen, selbstverständlich nicht in Preisliste III und auch nicht in Preisliste I, wohl aber in den Malerbüchern der Hütte. Ausschnittsweise wiedergegeben wurde das entsprechende Blatt in dem von Glaser/Besold herausgegebenen Theresienthalbüchlein auf der 147. Seite. Der “Rheinweinrömer mit den goldenen Rosen” muss demnach knappe 22 cm hoch gewesen sein und er war damit das höchste Glas des regulären Satzes. Abgebildet ist er inmitten weiterer Gläser des Satzes. Wer könnte da noch auf die Idee kommen, dieser Römer sei ein “Einzelglas” und habe “absolut nichts mit dem Gläsersatz zu tun”?????? (In der Literatur ist der “Rheinweinrömer mit den goldenen Rosen” nicht nachzuweisen.)
Interessant in diesem Zusammenhang auch der Gläsersatz Delta aus Theresienthal in der Pl III von 1907. In der PL III, die diesen Gläsersatz listet, ist, wie bei den anderen Gläsersätzen, kein Römer aufgeführt. Dieser würde in der Preisliste I zu suchen sein, fehlt dort aber. Vielleicht entstand der Entwurf “Delta” zwischen der Fertigstellung der Preisliste I (Römer) und der Preisliste III, so dass der Römer Delta in der Preisliste I keine Aufnahme finden konnte, wohl aber der Gläsersatz in Preisliste III. Dort ist der Gläsersatz Delta auf der letzten Tafel 23 abgebildet, eine Tafel hinter dem Satz Dorica, dessen Römer das neuntletzte Glas in der PL I von 1907 ist. Vielleicht hat man in Theresienthal aber auch einfach nicht sämtliche Römer aller Gläsersätze in die Preisliste I aufgenommen. Dies gilt wie bereits nachgewiesen für den Rheinweinrömer “mit den goldenen Rosen”, und es fehlt z.B. ein Römer zu dem Satz 1688 und auch ein Römer zu dem Satz Hertha; letzteren aber gibt es wiederum in der Preisliste aus den 1920iger Jahren. Selbstverständlich gab es auch einen Römer Delta, der sich dann ebenfalls in der Preisliste aus den 1920iger Jahren aus Theresienthal nachweisen lässt.
Einen Blick sollte man auch werfen auf den Gläsersatz 1689 mit dem Dekor 1832. Welcher Römer ist für diesen Satz vorgesehen? Weiter hilft auch hier ein Blick in die Malerbücher Theresienthals: Es ist dies der Römer Form 1681, der dem Satz 1689 als Römer zugeordnet wird. Nachzuvollziehen ist das im oben genannten Theresienthalbüchlein auf Seite 134 f.. Offenbar wurde hier zunächst der Römer entworfen, der formal etwas anders gestaltete Gläsersatz (leicht nach außen gestellte Ränder der Kuppa) folgte. Auch hier gilt: kein Gläsersatz ohne dazugehörigen Römer, da ein Glas für den weißen Rheinwein notwendigerweise zur Verfügung stehen musste!
Nicht allein in Theresienthal lassen sich folgende Beobachtungen machen: In der Regel ist der Römer das höchste Glas im regulären Gläsersatz und bisweilen wurde er auch durch ein formales Detail aus dem Gläsersatz hervorgehoben. Dies entsprach der damaligen besonderen Stellung des weißen Rheinweins auf den Tafeln der privaten Haushalte und der Restaurants und diese spiegelt sich in der Höhe des Römers ebenso wieder wie bisweilen in formalen Details und in Theresienthal eben auch darin, dass dem Römer hier spätestens seit 1903 eine separate Preisliste gewidmet wurde.
Mit Blick darauf, dass die Zahl der Römerentwürfe deutlich höher ist als die Zahl der Gläsersätze, wird man sagen müssen, dass der Römer formal nicht selten auch als Einzelglas entworfen wurde, dass er grundsätzlich aber sowohl formal als auch funktional als Teil eines Gläsersatzes aufgefasst werden konnte.

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