Römer aus Theresienthal Weblog

December 16, 2010

Likörgläser Form 1757 erzählen Geschichten

Filed under: Vermischtes, Auktionsgeschehen — Stephan Buse @ 13:02:55

Ein Glassammler sagte mir vor einigen Monaten, - ich paraphrasiere -, er würde ob der Fülle seiner Sammlung nur noch solche Gläser erwerben, die eine Geschichte erzählen, die er weitererzählen, d.h. veröffentlichen könne.
Da ob der bloßen Fülle der Objekte eine Vollständigkeit meiner Sammlung unerreichbar scheint, leuchtet mir der Gedanke jenes Sammlers ein und ich versuche seither ihm gleich zu tun: In meine Sammlung mögen vor allem solche Gläser aus Theresienthal einziehen, die eine Geschichte erzählen, die so interessant ist, dass es sich lohnt, sie weiterzuerzählen. So werde ich beispielsweise im kommenden Glasfreund einen kleinen Bierkrug aus Theresienthal vorstellen, der von jedem Kunsthistoriker wohl links liegen gelassen würde, da er in der Tat kunsthistorisch keinerlei Bedeutung hat, der aber aufgrund seiner Geschichte etwas zu erzählen weiß. Aus gleichem Grund war ich erfreut, bei einem Auktionshaus zwei Likörgläser der Form 1757 zu finden. Sehr abgelegen und daher nur durch einen Zufall vor Jahren von mir entdeckt: Gläser dieser Form und diesen Dekors wurden zeitnah zu ihrer Entstehung bereits veröffentlicht und zwar in einen ganz anderen Zusammenhang als man es aus zeitgenössischen Berichten der Kunstgewerbezeitschriften etc. gewohnt ist. Insofern waren und sind diese Gläser eine willkommene Ergänzung für meine Sammlung und irgendwann wird sich sicher die Gelegenheit ergeben, ihre Geschichte zu erzählen.
Was ich nicht ahnen konnte, was aber diese Gläser für mich im oben beschriebenen Sinne noch viel wertvoller macht: Wenige Tage nach Erwerb dieser Gläser erhielt ich einen etwas hastig geschriebenen Brief, dessen Absender sich sehr überheblich vorstellte und mir mitteilte, dass er und weitere Sammler eine eigene Geschichte mit just diesen Gläsern hätten und er infolge dieser (wie ich finde durchaus unterhaltsamen aber nicht unkomplizierten) Geschichte der Sammlerwelt einige als qualitativ geringwertige Ablichtungen gefundene unveröffentlichte Teile einer Preisliste zur Verfügung stelle. Der Sammlerwelt? Nein, natürlich nur jenen Sammlern.
Ich bin zuversichtlich, dass, wenn diese Tafeln tatsächlich bislang unbekannte Theresienthaler Gläser enthalten sollten, sich dieses über kurz oder lang bemerkbar machen wird, denn der enge Markt für solche Gläser abseits des Mainstream reagiert in der Regel recht sensibel. Bedauerlich ist, dass diese Tafeln damit nicht sämtlichen Interessierten zu Verfügung stehen, aber seinen eingebildeten Status erhält man ja eben nicht dadurch, dass man sein Wissen mit allen Interessierten teilt sondern indem man Strukturen schafft, die einen zumindest gefühlt Primus inter non pares bleiben lassen. Dass ein Sammler sich über einen Wissenvorsprung freut und diesen nicht preisgeben will, bevor er die Objekte seiner Begierde vor allen anderen Sammlern hat erwerben können, leuchtet mir ein, und ich gebe gerne zu, dass ich ebenso verfahre, wobei ich stets zu einem Austausch auf Augenhöhe bereit bin und meine Website ja eben dem Ziel dient, Wissen zu teilen. Leider aber ist es häufig so, dass Wissen instrumentalisiert wird um den Inhalt des eigenen Geldbeutels und / oder das Ego zu steigern.
So erzählen die Likörgläser Form 1757 gleich mehrere Geschichten von kunsthistorischen ebenso wie allzu menschlichen Belangen, die an mancherlei Orten (insbesondere am Rhein und seinen Nebenflüssen, für dessen Weißwein ja die Römer nicht nur aus Theresienthal bestimmt waren) und zu gegebenen Zeiten sicher aufmerksame Hörer und Leser finden werden. Vor allem solche Gläser suche ich für meine Sammlung!

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