Römer aus Theresienthal Weblog

October 15, 2009

Darmstädter Jugendstil auf der Mathildenhöhe

Filed under: Vermischtes — Stephan Buse @ 11:32:29

In meinem Urlaub konnte ich mir nun den Wunsch erfüllen, die Darmstädter Mathildenhöhe zu besuchen. “Klein aber fein”, so lassen sich meine Eindrücke zusammenfassen. Klein, aber fein, das Ensemble der erhaltenen Jugendstilvillen auf der Mathildenhöhe, die sich bei einem Rundgang zumindest von außen betrachten lassen, klein aber fein auch die Ausstellung im Ernst-Ludwig Haus, die bemerkenswerte kunsthandwerkliche Exponate Darmstädter Künstler aus den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zeigt. Darunter befinden sich auch einige Gläsersätze bzw. Gläser, die von Hans Christiansen und Peter Behrens entworfen wurden. Nicht ganz schlüssig ist in meinen Augen die Präsentation eines Konvoluts von Theresienthaler Jugendstil Gläsern unterschiedlicher Formen aber identischen Dekors, die sämtlich um 1905 als anonyme Hüttenentwürfe hergestellt wurden, in dem Bereich der Ausstellung, in dem vorrangig die Exponate der letzten Ausstellung der Darmstädter Künstlerkolonie von 1914 präsentiert werden. Leider sind zugleich von den vier bekannten Gläsersätzen, die Hans Christiansen entworfen hat und in Theresienthal produzieren ließ, abgesehen von dem Satz mit den stilisierten goldenen Rosen, keine Exemplare in der Ausstellung präsent. Aus der Sicht des Glassammlers könnte hier also noch etwas nachgebessert werden.
Wenn auch der Jugendstil zahlreiche beeindruckende Werke hervorgebracht hat, so hat der Besuch in Darmstadt mich dennoch vor allem in einer Hinsicht bestätigt: Genausowenig, wie ich in einem Haus leben wollte, das in den Stilen des Historimus gestaltet und eingerichtet ist, genausowenig wollte ich in einem Haus leben, das von den Entwerfern des Jugendstils entworfen und eingerichtet wurde. Wenn ich auch einzelne Elemente sehr beeindruckend finde, etwa die äußere Gestaltung des von Peter Behrens entworfenen Hauses oder manche Möbel aus der Zeit kurz nach 1900, ebenso manche Entwürfe für Gebrauchsglas, so überladen kommt es mir vor, wollte man die gesamte Inneneinrichtung nach diesen Prinzipien ausgestalten. Hinzu kommt, dass mich manche Elemente, etwa eine kreisrunde Eingangstür in einem der Häuser von 1901 (dem von Joseph Maria Olbrich entworfenen Wohnhaus des Möbelfabrikanten Julius Glückert), oder auch Möbel eines Peter Behrens, zu sehr an Hobbingen erinnern, die Märchenwelt des Herrn J.R.R. Tolkien. Mir gefallen die Häuser und Einrichtungen, die für die Ausstellungen 1908 und 1914 entworfen wurden, insgesamt betrachtet einfach besser, da klarer in ihren Strukturen und heller und zurückhaltender in ihren Farben.
Der Begeisterung für “den” Jugendstil, den es als einheitliche Stilrichtung, auch das bestätigte mir der Besuch der Ausstellung, nie gegeben hat, vermag ich mich nur im Hinblick auf einzelne Entwürfe anzuschließen, ebenso, wie ich mich für einzelne Entwürfe des Historismus, des Biedermeier und des 20. Jahrhunderts begeistern kann.

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