Römer aus Theresienthal Weblog

October 18, 2012

Zuschreibungsdurcheinander

Filed under: Auktionsgeschehen — Stephan Buse @ 13:53:14

Wenn es nicht zum Weinen wäre, könnte ich darüber lachen, über das Zuschreibungsdurcheinander. Dieser Virus befällt auch immer wieder Auktionshäuser der ersten Reihe, aktuell das Auktionshaus Quittenbaum in München, das mir aufgrund seiner immer wieder qualitätvollen Angebote bei gehobener Preisgestaltung wohlbekannt ist. Das ein und andere Glas konnte ich hier für meine Sammlung bereits erwerben. Im Katalog der aktuellen Auktion 105a offenbaren sich, gibt man das Stichwort Theresienthal in die Suchmaske ein, 15 Objekte. Bei mehr als der Hälfte dieser Objekte habe ich meine Fragen, was die Zuschreibung angeht. Zwei Fragen habe ich dem Auktionshaus gestern gesendet, aktuell habe ich noch keine Antwort erhalten.
Los geht es mit dem Los 105A403: Hier werden 15 Gläser angeboten, wohl nicht alle zusammengehörig, deren Zuschreibung an Theresienthal mir deshalb nicht schlüssig erscheint, weil ich diese Gläser in meinen Preislisten Theresienthals nirgendwo entdecken kann. Vielleicht sind meine Augen aber auch nur gehalten, und jemand, der es besser weiß, mag mir auf die Sprünge helfen, aber der Hinweis: “Ein vergleichbares Service findet sich im Bestand des Passauer Glasmuseums”, reicht mir für eine Zuschreibung nicht aus. Sehr viele Gläser in den Vitrinen des Passauer Glasmuseums sind leider nicht korrekt zusgeschrieben und abgesehen davon: Was heißt “vergleichbar”???
Theresienthal, die Regenhütte und die Josephinenhütte, um nur drei prominente Beispiele zu nennen, haben alle vergleichbare Gläser produziert. Deshalb reicht “vergleichbar” eben für eine Zuschreibung so ganz und gar nicht aus.
Auch die Zuschreibung des Loses 105A404 an Theresienthal würde ich zumindest mit einen Fragezeichen versehen, immerhin wird hier auf den Verweis auf das Passauer Glasmuseum verzichtet.
Beim Los 105A405 könnte es sich um einen gänzlich undekorierten Römer 1711 handeln, wenn es denn ein Glas aus Theresienthal sein soll. Von der Höhe her würde es passen. Warum dieses Glas ein “Entwurf nach Peter Behrens” sein soll, bleibt mir völlig unklar. Oder geht es darum, einen möglichst hohen Preis für ein Glas zu erzielen, das ohne berühmten Namen als anonymer Hüttenentwurf nur einen mittleren zweistelligen Betrag erlösen würde?
Unter 105A406 wird mit Verweis auf “Warthorst, S.102″ (gemeint ist das Buch Theresienthal von Karl-Wilhelm Warthorst, Seite 102) ein Set von sechs Likörgläsern “mit Präsentoir” der Glasfabrik Theresienthal zugeschrieben. Leider aber entsprechen weder Gläser noch Gestell in Form oder Dekor auch nur ansatzweise den Abbildungen in der von “Warthorst, Seite 102″ gezeigten Tafel aus der Preisliste IV Theresienthal 1907. Ich würde die Herkunft dieser Gläser ganz woanders suchen, nämlich bei Fritz Heckert in Petersdorf, wobei die Gläserrohlinge vermutlich in der Josephinenhütte produziert wurden. Und dann läge man mit einem Verweis auf das Passauer Glasmuseum hier vermutlich endlich richtig.
Das Los 105A408 offeriert mit Sicherheit keinen Römer 1711, wie im Katalog behauptet wird, denn dieser ist nur 18,3 cm hoch, während das angebotene Glas laut Katalog 20,4 cm hoch ist. Offenbar handelt es sich um einen Römer 1496 mit Wenlaubdekor.
Das Los 105A409 offeriert in der Tat ein Glas aus dem Christiansen-Satz mit der dreifach gravierten Welle, allerdings kein Rotweinglas sondern eines von den drei überhohen Gläsern aus diesem Satz, die in die Preisliste von 1907 nicht (mehr) aufgenommen wurden.
Auch das Los 105A410 hat nichts mit dem Römer 1711 zu tun, vermutlich handelt es sich hier vielmehr um zwei Weingläser (nicht zu verwechseln mit dem Römer!!!) aus dem Satz 1496.

Schließlich Los 105A414: Hier könnte, ich betone könnte, es sich um Gläser aus Theresienthal handeln. Schon die Herkunft des Gestells ist aber fraglich und ein absolutes NOGO ist die Zuschreibung dieser Gläser an Hans Christiansen. Hat nicht der zitierte Herr Warthorst schon unzählige Male darauf hingewiesen, und habe ich es nicht unzählige Male wiederholt???? ES GIBT IN DEN PREISLISTEN THERESIENTHALS NUR VIER!!!!! GLÄSERSÄTZE, DIE MIT PROF. CHRISTIANSEN GEKENNZEICHNET SIND. Und die hier angebotenen Gläser gehören nicht dazu. Merke: Vier Gläsersätze hat Christiansen nachweislich für Theresienthal entworfen, drei davon sind dekoriert (mit goldenen stilisierten Rosen, mit dreifacher Wellengravur, mit Blätterkranzgravur) und der einzig undekorierte Satz ist “optisch gedreht”. Wenn also Gläser undekoriert (ein Goldrand zählt nicht!) und nicht optisch gedreht sind, dann?????? Ja, richtig, dann sind sie keine Entwürfe von Hans Christiansen. Geht das irgendwann auch in die Köpfe von Auktionatoren und Händlern????? Ausnahmen bestätigen übrigens die Regel, nämlich dort, wo aus welchen Gründen auch immer die Christiansen-Dekoration der Christiansen-Form unterblieb. Diese Ausnahmen sind aber mehr als selten und ändern nichts daran, dass es nur vier Formentwürfe Christiansens für Theresienthal gibt.
Zu den Losen 105A415 und 105A416 ist zu bemerken, dass sie in der Tat in Theresienthal produziert wurden, aber im ersten Fall für die Theresienthaler Krystallglasfabriksniederlage von Eduard Rau in München, im zweiten Fall für die Firma Steigerwald`s Neffe in München.
Und zuletzt frage ich mich, was hat wohl beim Los 105A417 der Titel “Theresienthaler Krystallglasfabrik Egon von Poschinger (in der Art von)” zu bedeuten. Es handelt sich hier um ein Weinglas aus dem Satz 1531 mit der “Glasverzierung Liane”. Wieso “in der Art von”???? Das ist, mit Verlaub gesagt, doch eine völlig unsinnige Aussage!

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