Römer aus Theresienthal
© Stephan Buse 2007-2013

Die Geschichte der Glasfabrik Theresienthal

Stolz verweisen Prospekte und Preislisten der Glashütte Theresienthal am Ausgang des 20. Jahrhunderts auf die große Tradition dieser ehemals königlich privilegierten Glashütte, die bis zur Schachtenbachhütte in das Jahr 1421 zurückreiche. Damit sei Theresienthal eine der ältesten noch bestehenden Glasmanufakturen in Europa.
Allerdings wissen noch die Kataloge „Das schöne Glas", von der Glashütte Theresienthal in den späten fünfziger Jahren und Mitte der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts herausgegeben, in ihren Vorworten vom Anfang der Tradition Theresienthals erst in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts zu berichten.

Die Geschichte der Glasfabrik Theresienthal beginnt an ihrem heute noch immer im Betrieb befindlichen Standort im Jahre 1831, als der aus Böhmen stammende, in Würzburg ansässige Kaufmann und „Besitzer Böhmischer Glasmanufaktur, der Steigerwald heißt“, von König Ludwig aufgefordert wird, in Bayern Glashütten zu errichten, „was in staatswirtschaftlicher Hinsicht wichtig wäre ...“. Franz Ludwig Steigerwald, zu dieser Zeit Besitzer mehrerer renommierter Glashandlungen in Würzburg, Frankfurt und Wiesbaden, - dass er Inhaber böhmischer Glashütten gewesen wäre, lässt sich nicht beweisen - erklärt sich bereit, „die Sache ernstlich zu bedenken“, und schlägt den Bau eines derartigen Betriebes „im Unterdonaukreise, in der Gegend von Zwiesel“ vor, wo sich die nöthigen Materialien, Quartze, Kiesel und Holz in hinreichender Güte und Menge finden", vor. Mehr als fünf Jahre sollten vergehen, bis der endgültige Standort der Glashütte feststand: Zunächst wurde die Errichtung einer Glasfabrik in der Gemeinde Lindberg genehmigt. Aufgrund verschiedener Schwierigkeiten auch mit ortsansässigen Konkurrenten, die ihm den Zugang zu örtlichen Quarzbrüchen verwehrten, verlegte Franz Ludwig Steigerwald sein Unternehmen schließlich in ein Tal in der Nähe von Zwiesel. Bereits seit 1833 vertrieb Franz Steigerwald böhmisches Glas auch in München. Als nicht ortsansässiger Unternehmer - er besaß zu dieser Zeit auch nicht die bayerische Staatsbürgerschaft - konnte er dieses Geschäft allerdings nicht in eigenem Namen betreiben. So ließ er als Comissionär in München den Glaser und Glaswarenhändler Josef Böhm für sich arbeiten. Erst mit der Gründung einer eigenen Glasfabrik in Bayern konnte Franz Steigerwald schließlich später auch die (Ausnahme-) Genehmigung erlangen, in München ein eigenes Ladengeschäft zu führen, und nur zwei Jahre nach Inbetriebnahme der neuen Glasfabrik bei Zwiesel eröffnete er mit seinem Bruder Emanuel (1811 - 1851) in der Galeriestraße ein Geschäft in unmittelbarer Nachbarschaft zum Basargebäude in der Ludwigstraße. Die Regierung von Oberbayern verband die Genehmigung mit der Auflage, dass ausschließlich Theresienthaler Glas verkauft werden durfte. Am 19. September 1836 erhielt Franz Steigerwald die Erlaubnis, das Tal mit seiner neuen Glasfabrik „Theresienthal“ zu nennen. Die Namensgebung war seine Referenz an die Gemahlin Ludwig I., Therese von Sachsen-Hildburghausen, angeregt vielleicht auch durch den Umstand, dass sich in nur geringer Entfernung talaufwärts die nach dem König selbst benannte Spiegelglashütte Ludwigsthal befand. Im Spätsommer 1836 war die Errichtung der Glasfabrik so weit fortgeschritten, dass sie noch im selben Jahr die Arbeit aufnehmen konnte. Die bayerische Regierung hatte die Gründung der Glashütte nach Kräften unterstützt, indem sie unter anderem Franz Steigerwald die Einfuhrzölle auf die benötigten Werkzeuge und Gerätschaften erließ. Die Gründungsbelegschaft bestand aus neun Personen, fünf Glasmachern, zwei Holzdörrern, einem Schmelzer und einem Modelmacher, die alle aus Böhmen stammten. Bis 1839 wuchs die Belegschaft um mehr als das zwanzigfache an. Die Glashüttensiedlung Theresienthal zählte 1839 308 Einwohner, die zu knapp 85 Prozent aus Böhmen stammten. Davon waren 191 Personen in der Glashütte beschäftigt. Franz Ludwig Steigerwald beantragte und erhielt für seine Glashütte ein Privilegium auf die Herstellung von Pressglas. Dieses am 25. Juni 1836 für fünfzehn Jahre erteilte Privilegium wurde allerdings schon Ende Februar 1840 vom Landgericht Regen wieder eingezogen. Am 14. März 1837 wurde die Glasfabrik Theresienthal in die erste Aktiengesellschaft Niederbayerns mit einem Grundkapital von 100.000 Gulden umgewandelt. Durch die Ausgabe von insgesamt 200 Aktien zu je 500 Gulden konnte der weitere Ausbau der Glasfabrik finanziert werden. Eine rege Bautätigkeit in den Jahren 1836 bis 1839 belegt die Neuschätzung des Hypothekenwertes der Glasfabrik im September 1839 (vergl. StA Landshut, Nr. 41208), bis 1844 wächst das Glashüttenanwesen auf 33 Gebäude an. Die ausgegebenen Aktien waren schnell vergriffen, Josef Böhm, Steigerwalds Comissionär in München, wurde einer der Hauptanteilseigner der Aktiengesellschaft und zur Finanzierung der geplanten Expansionen wurde das Stammkapital erhöht. Während nun Franz Ludwig Steigerwald die kaufmännischen Geschicke der Glasfabrik leitete und zudem noch als Entwerfer für seine Glashütte tätig war, arbeitete sein Bruder Wilhelm Steigerwald, dessen Beteiligung an der Gründung Theresienthals nicht nachweisbar ist, als „technischer Werkführer“. Ihm gelang die Herstellung massiven Rubinglases, für das die Glashütte, von der bayerischen Regierung im Sommer 1840 ein Privileg auf fünf Jahre erhielt. So war Theresienthal zu dieser Zeit die einzige Glashütte in Bayern, die imstande war, Goldrubinglas zu liefern. Für ihre Waren in geschliffenem Überfang- und Kristallglas erhielt sie im Jahre 1840 auf der Allgemeinen Industrieausstellung in Nürnberg eine goldene Medaille, die erste öffentliche Auszeichnung in der Geschichte Theresienthals. Keine zehn Jahre nach ihrer Gründung geriet die „Actien-Gesellschaft zum umfassenden Betrieb der k. bayerisch allergnädigst privilegierten Krystall- und Glaswaren-Fabrik zu Theresienthal bei Zwiesel im Unterdonaukreise“ in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Franz Ludwig Steigerwald machte den Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft und dessen Inkompetenz und Leidenschaft dafür verantwortlich. Vielleicht war er an der Entwicklung aber nicht ganz schuldlos, bezog er doch für seine Ladengeschäfte in Würzburg, Frankfurt und Wiesbaden hochwertige Gläser immer auch aus der Harrachschen Hütte, was seine Theresienthaler Teilhaber vermutlich nicht gerne sahen. Mochten sie vielleicht auch nicht darauf vertrauen, dass er in dem „Glas- und Krystallmagazin“, das er 1838 in München gegründet hatte, wirklich nur Theresienthaler Glas verkaufte, wie es die Konzession für dieses Ladengeschäft vorsah? Jedenfalls wurde Franz Steigerwald 1841 aus der Leitung der Glashütte abgewählt, zog sich aus Theresienthal zurück und widmete sich hauptsächlich seinen Glashandlungen, während sein Bruder Wilhelm 1842 Theresienthal verließ und wenig später die Schachtenbachhütte pachtete. Damit verlor Theresienthal die leitenden Köpfe, auch stand auch das Wissen um die Herstellung des Goldrubinglases der Glashütte nicht mehr zur Verfügung, war doch das technische Verfahren außer Wilhelm Steigerwald niemandem in der Glashütte bekannt. Die darniederliegende Glasfabrik Theresienthal, nun nicht mehr königlich privilegierte Glashütte, wurde Anfang Januar 1844 von der Nürnberger Bank, der Hauptgläubigerin, übernommen. Sie wurde zunächst durch ein Massekuratel verwaltet - an der Spitze stand ein Herr Senger, der auch die Betriebsleitung übernahm, - und wurde 1857 schließlich von der Königlichen Bank in Nürnberg in Besitz genommen, nachdem diese alle Ansprüche der übrigen Gläubiger befriedigt hatte. Mit Datum vom 1. April 1861 wurde die Glashütte von Johann Michael II von Poschinger zu Frauenau von der Bank des Königs in Nürnberg für 20.000 Gulden übernommen. In einer Mitteilung an die alten Kunden der Glashütte ließ er erklären, der alte Anspruch der Glasfabrik Theresienthal solle neu begründet werden durch das wertvolle Hohlglas, das durch Geschmack und Neuheit in den Formen und Gediegenheit der Farben hervorragen, sowie durch das Tafelglas, das durch Glanz und Reinheit vorteilhaft sich auszeichnen werde. Nach dem unerwarteten Tod des Johann Michael von Poschinger, der bei einem Unfall mit der Postkutsche ums Leben kam, übernahm im Jahre 1863 sein Sohn Michael, der in demselben Jahr Henriette, die Tochter Wilhelm Steigerwalds und Nichte des Gründers der Glashütte, geheiratet hatte, die Glasfabrik. Henriette Steigerwald war Schülerin Lenbachs und stand der Glashütte mehrere Jahrzehnte als Entwerferin zur Verfügung. Dabei zeichnete sie in der Phase des Historismus auch Gläser aus dem Bayerischen und dem Germanischen Nationalmuseum ab, um durch die Wiederbelebung alter Formen und Techniken zu modernen Gläsern zu gelangen. Parallelen der Kollektion Theresienthals etwa zur Glashütte Köln-Ehrenfeld sind daher in dieser Zeit nicht zufällig! Denn auch Oskar Rauter, der Direktor der Glashütte in Köln-Ehrenfeld, besuchte zahlreiche kunstgewerbliche Sammlungen, in denen er die Vorbilder für die Kunstglasabteilung seines Betriebes fand und abzeichnete. Dass man in Theresienthal die Produktion der Konkurrenz durchaus kannte, belegt die Tatsache, dass sich im alten Firmenarchiv unter anderem. ein Original der Preisliste von Buchenau von 1888 und ebenso ein Original eines Preiscouranten aus Köln-Ehrenfeld befindet. In dieser Epoche wurde Theresienthal zu dem Unternehmen, das im Historismus, aber auch noch in der Kunst der Jahrhundertwende, eine bedeutende Rolle in der Produktion von hochwertigem Gebrauchsglas spielte. In der Statistik der Glasindustrie notiert Lobmeyr 1874 für die Glashütte Theresienthal: „...1 Krystallglasofen mit 10 Häfen, 1 Tafelglasofen mit 8 Häfen. Holzgasfeuerung. System Siemens-Siebert. Erzeugt Hohlglas, Krystall- und Farbenglas, Tafelglas, gewöhnliches Fenster- und farbiges Glas. Arbeiter: Hohlglas 36, Tafelglas 15, Schleifer 50, Graveure 6, Maler 3 ...“. Dass bereits in dieser Zeit der Musterschutz von einiger Bedeutung war, (nur so ließen sich die Entwürfe der eigenen Glashütte vor Nachahmern einigermaßen schützen), belegt der Eintrag im Musterregister des Amtsgerichts Deggendorf vom 24. November 1882. Dort werden im Namen von M. von Poschinger in Theresienthal 70 Muster für „Glaswaaren“ eingetragen. Es waren historisierende Gebrauchs- und Ziergläser, die bis in die Gegenwart für den Stil der Glashütte charakteristisch sind. Der Schwerpunkt lag dabei auf Kristallglas nach venezianischen Renaissancemotiven und auf emaildekorierten Gläsern im altdeutschen Stil. Auf der Weltausstellung in Chicago 1893 präsentierte die Glasfabrik Theresienthal laut Ausstellungskatalog Weingläser, Tischsets und weitere Glaswaren. Im Jahre 1897 trat Michael von Poschinger III. nach beinahe 35 Jahren in der Leitung der Glasfabrik Theresienthal aus der Firma aus und übergab sie an seinen einzigen Sohn, Egon (I.) Benedikt von Poschinger, der etwa ab 1900 die Produktion von Jugendstilgläsern in Theresienthal begann und den Export Theresienthaler Gläser vor allem in die USA, nach Südamerika und Südafrika ausweitete. Gemessen an den Aktivitäten der Konkurrenz erschloss er der Glashütte damit relativ spät die Möglichkeiten der modernen Glasgestaltung und des internationalen Glashandels. Die erhaltenen Tafeln der Preisliste von 1903 dokumentieren, dass nach wie vor eine große Nachfrage der Kundschaft nach den altdeutschen Formen und Dekoren des Historismus bestanden haben muss, auch wenn die modernen Römerformen überwogen. 1890 hatte Egon I. von Poschinger die Oberlandesgerichtsratstochter Anna Katharina Schmidt aus München geheiratet. Vier Kinder entstammten dieser Ehe: Martha Anna Marie von Poschinger, Johann Michael (Hans) von Poschinger, Egon Wolfgang von Poschinger und Kurt Michael Friedrich Otto von Poschinger. Anna Katharina verstarb am 5. August 1901, keine drei Wochen nach der Geburt ihres jüngsten Sohnes. Am 29. April 1903 heiratete Egon I. von Poschinger die gebürtige Dresdenerin Ellen Maria Banck, Tochter des Komponisten Karl Ludwig Albert Banck.

Ansicht der Glasfabrik Theresienthal um 1910 (Ansichtskarte)





Ansichtskarte der Glashütte Theresienthal um 1911

Ein Glashüttenadressbuch aus dem Jahre 1913 verzeichnet für Theresienthal 250 Arbeiter, die „alle Sorten besserer und dekorierter Gebrauchs- und Luxusgläser“ produzieren. Nach dem Tod Egon von Poschingers im Jahre 1915 war Theresienthal im Besitz einer Erbengemeinschaft, die aus seiner zweiten Ehefrau und seinen vier Kindern aus erster Ehe bestand. Bis 1922 befand sich die Glashütte unter der Geschäftsleitung von Erwin C. Banck, eines Bruders der Ellen Maria von Poschinger, geb. Banck. Einen zusätzlichen Einschnitt stellte der Erste Weltkrieg dar. Die Rekrutierung vieler Arbeiter erschwerte zunehmend die Produktion, während zugleich die Kauflust spürbar abnahm. Ab 1922 war Theresienthal in Besitz und unter Firmenleitung von Egon I. von Poschingers Söhnen, Egon (II.) Wolfgang von Poschinger und Johann Michael (Hans) von Poschinger. Es waren Egon II. von Poschingers gute Kontakte in die USA, die in den Zeiten vor und nach dem Ersten Weltkrieg den Export der Glasfabrik nach Übersee anwachsen ließen und die Gläser aus der kleinen Ortschaft im bayerischen Wald auch in der Metropole New York bekanntmachten. Die New York Times berichtet in ihrer Ausgabe vom 21. Februar 1915 zur Eröffnung der Weltausstellung in San Francisco:„Among the miscellaneous German exhibits are wines, gold-worked and embossed glassware from Theresienthal (...)“. Andere Glasfabriken werden nicht erwähnt. Der US-amerikanische Glashändler H. J. Howe in Syracuse, New York, lässt das Vorwort eines Prospekts über das feine Glas aus Theresienthal in den zwanziger Jahren mit folgenden Worten beginnen: „In the prettiest and most secluded part of the famous Bayern Woods in Bavaria, with the historic and picturesque blue Danube as its nearest neighbor, nestles the primitive little village of Theresienthal, famous the world over, for ist exquisitely beautiful glass.“ Ein Schlaglicht auf die Situation der Arbeiter in der Glasfabrik Theresienthal wirft der Bericht der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Sopade) aus dem Juli 1935 über einen Streik in der Glashütte. Wenn dieser vermutlich auch die tatsächliche Situation überzeichnet, so wird er dennoch nicht jeder Grundlage entbehren: „Die Kristallglasfabrik Theresienthal hat eine Belegschaft von ca. 100 bis 120 Mann. (...) Die Glashütte Theresienthal ist schon sehr alt. Dort ist der Glasmacherberuf über Generationen vererbt. Die Arbeiter sind an Hunger und Elend gewöhnt. Sie haben nie menschenwürdige Verhältnisse gekannt. (...) Alte Arbeiter sagen auch, daß sie wohl schon viel schlechte Zeiten mitgemacht haben, daß es ihnen aber noch nie so erbärmlich gegangen ist wie jetzt. Bei einer Arbeitszeit von 48 Stunden verdienen die Glasmachergehilfen in der Woche 6 - 7 Mark, die Facharbeiter 12 Mark. (...) Angeregt durch die Vorgänge in der Glasfabrik Frauenau sind die Arbeiter Anfang des Monats in einen 3tägigen (sic!) Streik getreten.“ Zum Vergleich: Im Jahr 1933 verdiente ein Arbeiter in Deutschland durchschnittlich 120 - 150 RM netto im Monat. Ein Brot kostete ca. 0,40 RM, ein Ei ca. 0,11 RM, 1kg Kartoffeln ca. 0,06 RM, 1 Liter Milch ca. 0,20 - 0,25 RM, 1 Liter Bier ca 0,70 RM.




Trotz der schwierigen Situation in der Mitte der dreißiger Jahre wurde Theresienthal 1937 auf der Pariser Weltausstellung erneut eine Goldmedaille verliehen. Der Zweite Weltkrieg aber brachte die Produktion der Glashütte völlig zum Erliegen. Wie schon während des Ersten Weltkriegs brach nicht nur die Nachfrage nach Luxuswaren ein, auch die Versorgung der Glashütte mit Rohstoffen sowie mit Arbeitskräften wurde mit Fortdauer des Krieges zunehmend schwieriger. Mit ihren Arbeitskräften verlor die Glashütte immer auch einen Teil der über Generationen weitergegebenen handwerklichen Fähigkeiten und des Wissens um Herstellungsverfahren und Produktionsabläufe. Erst am Ausgang der vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts konnte die Glashütte, nun als Kommanditgesellschaft, allmählich mit der Produktion wieder beginnen. Auch gelang es, die Geschäftsbeziehungen nach Übersee in den fünfziger Jahren neu zu beleben. Nach dem Tod seines Bruders Hans am 19. März 1950 führte Egon von Poschinger die Glashütte alleine, bis er am 1. Mai 1963 Max Gangkofner, den Direktor der Glasfachschule in Zwiesel, als Teilhaber aufnahm. Mit dem 1. Januar 1973 wurde Max Gangkofner alleiniger Geschäftsinhaber der Hütte. Damals arbeitete die Glashütte mit drei Öfen und 14 Häfen und beschäftigte 227 Menschen. Bereits zu dieser Zeit scheint der Glashüttenbetrieb mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten belastet gewesen zu sein, denn wohl zur finanziellen Konsolidierung holte Max Gangkofner sich mit der Firma Hutschenreuther einen Partner ins Boot, der die Geschicke der Glashütte in den nächsten Jahrzehnten maßgeblich bestimmen sollte. Im November 1974 war die Glashütte zur Hälfte, 1982 dann zur Gänze im Besitz der Porzellanfabrik Hutschenreuther, Selb, und firmierte unter dem Namen „Theresienthaler Krystall- und Porzellanmanufaktur“. Anfang der siebziger Jahre arbeiteten in Theresienthal noch mehr als 250 Menschen. In den folgenden Jahrzehnten verringerte sich die Belegschaft nach und nach. Laut einer Statistik der Industrie-Gewerkschaft Chemie, Papier, Keramik vom Oktober 1985 waren Anfang der achtziger Jahre noch 195 Menschen in der Glashütte beschäftigt. Viele Glasartikel, die in dieser Zeit in Theresienthal entstanden, wurden nie mit dem Namen der Glashütte in Verbindung gebracht, kamen doch zahlreiche Geschenkartikel, Vasen und andere Dinge nur unter dem Namen der Firma Hutschenreuther in den Handel. Dadurch geriet die Marke Theresienthal in weiten Teilen der Kundschaft und des Fachhandels beinahe in Vergessenheit. Bei der Neuausrichtung des Hutschenreuther Konzerns im Verlauf des Jahres 1996 und der Konzentration auf das Kerngeschäft kam der Glashütte keine Bedeutung mehr zu. Theresienthal sollte verkauft werden. Anfang Januar 1997 übernahm Ralph Wenzel das Werk von der Hutschenreuther AG. Er hatte große Pläne, und wollte an das frühere Renommee der Marke Theresienthal anknüpfen. Er beauftragte renommierte Designer wie Wolf Karnagel, Volker Hundertmark oder Heike Phillip mit der Entwicklung neuer Glasserien und gründete ein neues Zweigwerk „Theresienthal Brandenburg“ sowie eine neue Verkaufsniederlassung in unmittelbarer Nachbarschaft des Schlosses Hohenschwangau. Allerdings scheiterten seine Unternehmungen. Am 25. Mai 2000 musste die Theresienthaler Krystallglasmanufaktur Insolvenz beantragen. Die Schließung der Glashütte konnte jedoch noch einmal für kurze Zeit abgewendet werden. Das Unternehmen hieß fortan Krystallglasmanufaktur Theresienthal GmbH und machte sich unter neuer Geschäftsleitung daran, die fast 170 Jahre alte Tradition der Glashütte fortzuführen. Fast sah es so aus, als könnte der Absturz der Firma mit den noch rund 70 Arbeitern und Angestellten von einem Schweizer Unternehmen aufgefangen werden, doch am 2. Oktober 2001 stellte der Betriebsratsvorsitzende Georg Schreder auf Grund lange ausgebliebener Lohnzahlungen erneut Konkursantrag; die Produktionsstätte war bereits im Mai 2001 geschlossen worden. Bis November 2002 konnte kein Käufer für die Glashütte gefunden werden, und der Versteigerungstermin am 13. November 2002 brachte auch keinen neuen Eigentümer. Im Frühsommer 2003 verlautete, dass Teile des Theresienthaler Glashüttenkomplexes unter Denkmalschutz gestellt werden sollten: das um 1910 erbaute Haus, die Absprengerei und Schleiferei, und das aus dem Jahr 1835 stammende Haus Nummer 25, der Veredelungsbau und das Ofenhaus mit seinem mächtigen Satteldach. Ob diese Entwicklung dazu beitragen könnte, dass es für die Glashütte Theresienthal noch einmal eine Chance gäbe, blieb lange Zeit offen. Jedenfalls baute der Insolvenzverwalter auch nach den sich über drei Jahre hinziehenden schwierigen Verhandlungen mit möglichen Neubesitzern und dem zweiten, am 2. Juli 2003 zweiten ohne Ergebnis verstrichenen Versteigerungstermin immer noch auf das Interesse möglicher Investoren. Mitte Juni 2004 gab es für Außenstehende erste Hinweise darauf, dass doch noch einmal ein Anlauf unternommen werden würde, die Tradition der Glashütte Theresienthals nicht völlig untergehen zu lassen. Und in der Tat, Anfang August 2004 nahm die neugegründete Kristallglasmanufaktur Theresienthal GmbH ihren Betrieb auf. Ermöglicht wurde dieser Neustart durch die „Stiftung Theresienthal“, initiiert durch die Eberhard von Kuenheim Stiftung und maßgeblich unterstützt durch die Alfred Herrhausen Stiftung. Unter dem Dach der Stiftung Theresienthal entstanden eine gemeinnützige Theresienthal GmbH, die die Markenrechte und Immobilien vom Insolvenzverwalter kaufte, sowie für das operative Geschäft die Kristallglasmanufaktur Theresienthal GmbH. Die neue Kollektion nach den erfolgreichen Vorlagen der vergangenen Jahrzehnte bzw. Jahrhunderte wurde im Frühjahr 2005 auf der Messe „Ambiente“ in Frankfurt vorgestellt. Anfang April 2006 schließlich verkaufte die Stiftung Theresienthal die Mehrheit der Anteile an der GmbH an den Bankkaufmann Max von Schnurbein. Seither befindet sich die Glashütte Theresienthal mit rund 20 Mitarbeitern auf einem zwar steinigen Weg, der aber, so sieht es im Frühjahr 2008 aus, durchaus zu einer neuen Blüte der alten Glasfabrik führen kann.
Ansichten der Glashütte Theresienthal im Juni 2004


Auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Glashütte zu Beginn des 21. Jahrhunderts wirft folgende Beobachtung ein Schlaglicht: Im Herbst 2002, mehr als ein Jahr stand die Produktion Theresienthals bereits still, und es konnten in der Glashütte lediglich noch vorhandene Gläser für etwa 10% unter dem Listenpreis erworben werden, wurden bei einem großen Internetauktionshaus sechs Sektrömer „Kurfürst" mit Jagdgravour für insgesamt 53,--Euro verkauft, sowie ein Römer „Dürnstein" für 30,--Euro. Ein bemalter Römer „Palais", angeboten für 30,--Euro, blieb unverkauft. Im Fachhandel sollten die sechs Sektrömer bereits 1986 mehr als DM 200,-- kosten, Mitte der neunziger Jahre bereits hätte für den Römer Palais ein Betrag von rund DM 260,-- zu Buche geschlagen, und im Jahre 2001 mussten für einen Römer „Dürnstein" in der Glashütte 140,40 DM (DM 156,-- betrug der Listenpreis für den Handel) bezahlt werden.
Zu derselben Zeit konnte der Autor dieser Seiten über dasselbe Internetauktionshaus neun Weinrömer erwerben, die der Vorbesitzer, der Anfang der achtziger Jahre als Außendienstverkäufer Facheinzelhandelsgeschäfte in einem großen Bereich Süddeutschlands für Theresienthal betreute, um 1980 als Vorführgläser von der Glashütte übernommen hatte. Allesamt Römer, die kurze Zeit später aus dem Programm genommen und nie wieder produziert wurden oder aber als Mustergläser, die nie in Serie gehen sollten, nur in sehr wenigen Exemplaren hergestellt worden waren. Der Preis für diese Raritäten: rund 200,--Euro, nicht einmal 25,--Euro je Glas!
Hier tut sich zumindest für die Römerkollektion Theresienthals ein tiefer Graben auf zwischen den zuletzt am Markt erzielbaren Preisen und dem Betrag, der zur wirtschaftlichen Herstellung und Vermarktung dieser handwerklichen Kostbarkeiten notwendigerweise durchzusetzen gewesen wäre. Die "Geiz ist geil"-Mentalität, die nur den Preis vergleicht, aber nicht den Wert schätzt, lässt auch für die nahe Zukunft kein Umdenken erwarten. Ebenfalls nicht verkaufsfördernd war und ist die Politik vieler Glashandlungen, die wohl die Preisliste und einige Prospekte, kaum aber eins der höherpreisigen Gläser Theresienthals ihren Kunden präsentieren konnten. Wer gibt dreistellige Beträge aus für Produkte, die sich nur im Bild eines Prospektes betrachten lassen? Welcher Glasliebhaber möchte das Objekt seines Interesses nicht vor dem Kauf in die Hand nehmen und es von allen Seiten ausführlich betrachten? Zudem wurden die Gläser Theresienthals meist nur dann den Kunden vorgestellt, wenn ausdrücklich nach Gläsern aus Theresienthal gefragt wurde. Aktiv beworben wurden sie in den Einzelhandelsgeschäften kaum, Informationen zu der Glashütte und ihren Produkten über die vorliegenden Prospekte hinaus, waren in den meisten Einzelhandelsgeschäften nicht zu erhalten. Und: Die ganze Breite der Produktpalette blieb selbst überdurchschnittlich informierten Glasinteressierten verborgen, wandten sie sich nicht direkt an die Hütte oder ihre Handelsvertreter. So existieren Römer, nachweislich nach 1986 produziert, die nie den Weg in Preisliste und Prospekte fanden und so, wenn überhaupt, nur im heute seltenen engagierten Facheinzelhandel präsentiert wurden.


  • Zur Geschichte der Glasfabrik Theresienthal
  • Die traditionelle Römerform bis zur Biedermeierzeit
  • Besonderheiten bei der Herstellung von Römern
  • Zur Datierung der Entwürfe
  • Römer aus Theresienthal um 1840
  • Römer aus Theresienthal um 1890
  • Vom Historismus zum Jugendstil - Römer aus Theresienthal um 1907
  • Römer aus Theresienthal im 20. Jahrhundert
  • Identifikation und Zuschreibung
  • Fundorte
  • Hinweise für den Aufbau einer Sammlung
  • Literatur
  • Anekdoten aus dem Sammlerleben
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