Die Geschichte der Glasfabrik Theresienthal
Stolz verweisen Prospekte und Preislisten der Glashütte Theresienthal am Ausgang des
20. Jahrhunderts auf die große Tradition dieser ehemals königlich privilegierten Glashütte, die bis zur
Schachtenbachhütte in das Jahr 1421 zurückreiche.
Damit sei Theresienthal eine der ältesten noch bestehenden Glasmanufakturen in Europa.
Allerdings
wissen noch die
Kataloge „Das schöne Glas", von der Glashütte Theresienthal in den späten fünfziger Jahren und Mitte der
siebziger Jahre
des 20. Jahrhunderts herausgegeben, in ihren Vorworten vom Anfang der Tradition Theresienthals erst in den
dreißiger Jahren
des 19. Jahrhunderts zu berichten.
Die Geschichte der Glasfabrik Theresienthal beginnt an ihrem heute noch immer im Betrieb befindlichen Standort im Jahre 1831,
als der aus Böhmen stammende, in Würzburg ansässige Kaufmann und „Besitzer Böhmischer Glasmanufaktur, der Steigerwald heißt“,
von König Ludwig aufgefordert wird, in Bayern Glashütten zu errichten, „was in staatswirtschaftlicher Hinsicht wichtig wäre ...“.
Franz Ludwig Steigerwald, zu dieser Zeit Besitzer mehrerer renommierter Glashandlungen in Würzburg, Frankfurt und Wiesbaden,
- dass er Inhaber böhmischer Glashütten gewesen wäre, lässt sich nicht beweisen - erklärt sich bereit, „die Sache ernstlich zu
bedenken“, und schlägt den Bau eines derartigen Betriebes „im Unterdonaukreise, in der Gegend von Zwiesel“ vor, wo sich die
nöthigen Materialien, Quartze, Kiesel und Holz in hinreichender Güte und Menge finden", vor.
Mehr als fünf Jahre sollten vergehen, bis der endgültige Standort der Glashütte feststand: Zunächst wurde die Errichtung einer
Glasfabrik in der Gemeinde Lindberg genehmigt. Aufgrund verschiedener Schwierigkeiten auch mit ortsansässigen Konkurrenten, die
ihm den Zugang zu örtlichen Quarzbrüchen verwehrten, verlegte Franz Ludwig Steigerwald sein Unternehmen schließlich in ein Tal
in der Nähe von Zwiesel.
Bereits seit 1833 vertrieb Franz Steigerwald böhmisches Glas auch in München. Als nicht ortsansässiger Unternehmer - er besaß
zu dieser Zeit auch nicht die bayerische Staatsbürgerschaft - konnte er dieses Geschäft allerdings nicht in eigenem Namen betreiben.
So ließ er als Comissionär in München den Glaser und Glaswarenhändler Josef Böhm für sich arbeiten. Erst mit der Gründung einer
eigenen Glasfabrik in Bayern konnte Franz Steigerwald schließlich später auch die (Ausnahme-) Genehmigung erlangen, in München
ein eigenes Ladengeschäft zu führen, und nur zwei Jahre nach Inbetriebnahme der neuen Glasfabrik bei Zwiesel eröffnete er mit
seinem Bruder Emanuel (1811 - 1851) in der Galeriestraße ein Geschäft in unmittelbarer Nachbarschaft zum Basargebäude in der Ludwigstraße.
Die Regierung von Oberbayern verband die Genehmigung mit der Auflage, dass ausschließlich Theresienthaler Glas verkauft werden durfte.
Am 19. September 1836 erhielt Franz Steigerwald die Erlaubnis, das Tal mit seiner neuen Glasfabrik „Theresienthal“ zu nennen.
Die Namensgebung war seine Referenz an die Gemahlin Ludwig I., Therese von Sachsen-Hildburghausen, angeregt vielleicht auch durch den Umstand,
dass sich in nur geringer Entfernung talaufwärts die nach dem König selbst benannte Spiegelglashütte Ludwigsthal befand.
Im Spätsommer 1836 war die Errichtung der Glasfabrik so weit fortgeschritten, dass sie noch im selben Jahr die Arbeit aufnehmen
konnte. Die bayerische Regierung hatte die Gründung der Glashütte nach Kräften unterstützt, indem sie unter anderem Franz Steigerwald
die Einfuhrzölle auf die benötigten Werkzeuge und Gerätschaften erließ.
Die Gründungsbelegschaft bestand aus neun Personen, fünf Glasmachern, zwei Holzdörrern, einem Schmelzer und einem Modelmacher,
die alle aus Böhmen stammten. Bis 1839 wuchs die Belegschaft um mehr als das zwanzigfache an. Die Glashüttensiedlung Theresienthal
zählte 1839 308 Einwohner, die zu knapp 85 Prozent aus Böhmen stammten. Davon waren 191 Personen in der Glashütte beschäftigt.
Franz Ludwig Steigerwald beantragte und erhielt für seine Glashütte ein Privilegium auf die Herstellung von Pressglas. Dieses
am 25. Juni 1836 für fünfzehn Jahre erteilte Privilegium wurde allerdings schon Ende Februar 1840 vom Landgericht Regen wieder
eingezogen.
Am 14. März 1837 wurde die Glasfabrik Theresienthal in die erste Aktiengesellschaft Niederbayerns mit einem Grundkapital von
100.000 Gulden umgewandelt. Durch die Ausgabe von insgesamt 200 Aktien zu je 500 Gulden konnte der weitere Ausbau der Glasfabrik
finanziert werden. Eine rege Bautätigkeit in den Jahren 1836 bis 1839 belegt die Neuschätzung des Hypothekenwertes der Glasfabrik
im September 1839 (vergl. StA Landshut, Nr. 41208), bis 1844 wächst das Glashüttenanwesen auf 33 Gebäude an.
Die ausgegebenen Aktien waren schnell vergriffen, Josef Böhm, Steigerwalds Comissionär in München, wurde einer der Hauptanteilseigner
der Aktiengesellschaft und zur Finanzierung der geplanten Expansionen wurde das Stammkapital erhöht.
Während nun Franz Ludwig Steigerwald die kaufmännischen Geschicke der Glasfabrik leitete und zudem noch als Entwerfer
für seine Glashütte tätig war, arbeitete sein Bruder Wilhelm Steigerwald, dessen Beteiligung an der Gründung
Theresienthals nicht nachweisbar ist, als „technischer Werkführer“. Ihm gelang die Herstellung massiven Rubinglases,
für das die Glashütte, von der bayerischen Regierung im Sommer 1840 ein Privileg auf fünf Jahre erhielt. So war Theresienthal zu
dieser Zeit
die einzige Glashütte in Bayern, die imstande war,
Goldrubinglas zu liefern. Für ihre Waren in geschliffenem Überfang- und Kristallglas erhielt sie im Jahre 1840 auf der Allgemeinen
Industrieausstellung in Nürnberg eine goldene Medaille, die erste öffentliche Auszeichnung in der Geschichte Theresienthals.
Keine zehn Jahre nach ihrer Gründung geriet die „Actien-Gesellschaft zum umfassenden Betrieb der k. bayerisch
allergnädigst privilegierten Krystall- und Glaswaren-Fabrik zu Theresienthal bei Zwiesel im Unterdonaukreise“ in
wirtschaftliche Schwierigkeiten. Franz Ludwig Steigerwald machte den Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft und dessen
Inkompetenz und Leidenschaft dafür verantwortlich. Vielleicht war er an der Entwicklung aber nicht ganz schuldlos,
bezog er doch für seine Ladengeschäfte in Würzburg, Frankfurt und Wiesbaden hochwertige Gläser immer auch aus der
Harrachschen Hütte, was seine Theresienthaler Teilhaber vermutlich nicht gerne sahen. Mochten sie vielleicht auch
nicht darauf vertrauen, dass er in dem „Glas- und Krystallmagazin“, das er 1838 in München gegründet hatte, wirklich
nur Theresienthaler Glas verkaufte, wie es die Konzession für dieses Ladengeschäft vorsah? Jedenfalls wurde
Franz Steigerwald 1841 aus der Leitung der Glashütte abgewählt, zog sich aus Theresienthal zurück und widmete sich
hauptsächlich seinen Glashandlungen, während sein Bruder Wilhelm 1842 Theresienthal verließ und wenig später die
Schachtenbachhütte pachtete. Damit verlor Theresienthal die leitenden Köpfe, auch stand auch das Wissen um die Herstellung des
Goldrubinglases der Glashütte nicht mehr zur Verfügung,
war doch das technische Verfahren außer Wilhelm Steigerwald niemandem in der Glashütte bekannt.
Die darniederliegende Glasfabrik Theresienthal, nun nicht mehr königlich privilegierte Glashütte, wurde Anfang Januar 1844 von
der Nürnberger Bank, der Hauptgläubigerin, übernommen. Sie wurde zunächst durch ein Massekuratel verwaltet - an der Spitze stand
ein Herr Senger, der auch die Betriebsleitung übernahm, - und wurde 1857 schließlich von der Königlichen Bank in Nürnberg in
Besitz genommen, nachdem diese alle Ansprüche der übrigen Gläubiger befriedigt hatte. Mit Datum vom 1. April 1861 wurde die
Glashütte von Johann Michael II von Poschinger zu Frauenau von der Bank des Königs in Nürnberg für 20.000 Gulden übernommen.
In einer Mitteilung an die alten Kunden der Glashütte ließ er erklären, der alte Anspruch der Glasfabrik Theresienthal solle
neu begründet werden durch das wertvolle Hohlglas, das durch Geschmack und Neuheit in den Formen und Gediegenheit der Farben
hervorragen, sowie durch das Tafelglas, das durch Glanz und Reinheit vorteilhaft sich auszeichnen werde. Nach dem unerwarteten
Tod des Johann Michael von Poschinger, der bei einem Unfall mit der Postkutsche ums Leben kam, übernahm im Jahre 1863 sein Sohn
Michael, der in demselben Jahr Henriette, die Tochter Wilhelm Steigerwalds und Nichte des Gründers der Glashütte, geheiratet hatte,
die Glasfabrik.
Henriette Steigerwald war Schülerin Lenbachs und stand der Glashütte mehrere Jahrzehnte als Entwerferin zur Verfügung. Dabei
zeichnete sie in der Phase des Historismus auch Gläser aus dem Bayerischen und dem Germanischen Nationalmuseum ab, um durch die
Wiederbelebung alter Formen und Techniken zu modernen Gläsern zu gelangen.
Parallelen der Kollektion Theresienthals etwa zur Glashütte Köln-Ehrenfeld sind daher in dieser Zeit nicht zufällig! Denn auch
Oskar Rauter, der Direktor der Glashütte in Köln-Ehrenfeld, besuchte zahlreiche kunstgewerbliche Sammlungen, in denen er die
Vorbilder für die Kunstglasabteilung seines Betriebes fand und abzeichnete. Dass man in Theresienthal die Produktion der Konkurrenz
durchaus kannte, belegt die Tatsache, dass sich im alten Firmenarchiv unter anderem. ein Original der Preisliste von Buchenau
von 1888 und ebenso ein Original eines Preiscouranten aus Köln-Ehrenfeld befindet. In dieser Epoche wurde Theresienthal zu dem
Unternehmen, das im Historismus, aber auch noch in der Kunst der Jahrhundertwende, eine bedeutende Rolle in der Produktion von
hochwertigem Gebrauchsglas spielte.
In der Statistik der Glasindustrie notiert Lobmeyr 1874 für die Glashütte Theresienthal:
„...1 Krystallglasofen mit 10 Häfen, 1 Tafelglasofen mit 8 Häfen. Holzgasfeuerung. System Siemens-Siebert. Erzeugt Hohlglas,
Krystall- und Farbenglas, Tafelglas, gewöhnliches Fenster- und farbiges Glas. Arbeiter: Hohlglas 36, Tafelglas 15, Schleifer 50,
Graveure 6, Maler 3 ...“.
Dass bereits in dieser Zeit der Musterschutz von einiger Bedeutung war, (nur so ließen sich die Entwürfe der eigenen Glashütte
vor Nachahmern einigermaßen schützen), belegt der Eintrag im Musterregister des Amtsgerichts Deggendorf vom 24. November 1882.
Dort werden im Namen von M. von Poschinger in Theresienthal 70 Muster für „Glaswaaren“ eingetragen. Es waren historisierende
Gebrauchs- und Ziergläser, die bis in die Gegenwart für den Stil der Glashütte charakteristisch sind. Der Schwerpunkt lag dabei
auf Kristallglas nach venezianischen Renaissancemotiven und auf emaildekorierten Gläsern im altdeutschen Stil.
Auf der Weltausstellung in Chicago 1893 präsentierte die Glasfabrik Theresienthal laut Ausstellungskatalog Weingläser, Tischsets
und weitere Glaswaren.
Im Jahre 1897 trat Michael von Poschinger III. nach beinahe 35 Jahren in der Leitung der Glasfabrik Theresienthal aus der Firma
aus und übergab sie an seinen einzigen Sohn, Egon (I.) Benedikt von Poschinger, der etwa ab 1900 die Produktion von Jugendstilgläsern
in Theresienthal begann und den Export Theresienthaler Gläser vor allem in die USA, nach Südamerika und Südafrika ausweitete.
Gemessen an den Aktivitäten der Konkurrenz erschloss er der Glashütte damit relativ spät die Möglichkeiten der modernen Glasgestaltung
und des internationalen Glashandels. Die erhaltenen Tafeln der Preisliste von 1903 dokumentieren, dass nach wie vor eine große
Nachfrage
der Kundschaft nach den altdeutschen Formen und Dekoren des Historismus bestanden haben muss, auch wenn die modernen Römerformen
überwogen.
1890 hatte Egon I. von Poschinger die Oberlandesgerichtsratstochter Anna Katharina Schmidt aus München geheiratet.
Vier Kinder entstammten dieser Ehe: Martha Anna Marie von Poschinger, Johann Michael (Hans) von Poschinger, Egon
Wolfgang von Poschinger und Kurt Michael Friedrich Otto von Poschinger. Anna Katharina verstarb am 5. August 1901,
keine drei Wochen nach der Geburt ihres jüngsten Sohnes. Am 29. April 1903 heiratete Egon I. von Poschinger die
gebürtige Dresdenerin Ellen Maria Banck, Tochter des Komponisten Karl Ludwig Albert Banck.
Ansicht der Glasfabrik Theresienthal um 1910 (Ansichtskarte)
Ansichtskarte der Glashütte Theresienthal um 1911
Ein Glashüttenadressbuch aus dem Jahre 1913 verzeichnet für Theresienthal 250 Arbeiter, die „alle Sorten besserer und dekorierter
Gebrauchs- und Luxusgläser“ produzieren.
Nach dem Tod Egon von Poschingers im Jahre 1915 war Theresienthal im Besitz einer Erbengemeinschaft, die aus seiner zweiten
Ehefrau und seinen vier Kindern aus erster Ehe bestand. Bis 1922 befand sich die Glashütte unter der Geschäftsleitung von Erwin C. Banck,
eines Bruders der Ellen Maria von Poschinger, geb. Banck.
Einen zusätzlichen Einschnitt stellte der Erste Weltkrieg dar. Die Rekrutierung vieler Arbeiter erschwerte zunehmend die Produktion,
während zugleich die Kauflust spürbar abnahm.
Ab 1922 war Theresienthal in Besitz und unter Firmenleitung von Egon I. von Poschingers Söhnen, Egon (II.) Wolfgang von Poschinger
und Johann Michael (Hans) von Poschinger. Es waren Egon II. von Poschingers gute Kontakte in die USA, die in den Zeiten vor
und nach dem Ersten Weltkrieg den Export der Glasfabrik nach Übersee anwachsen ließen und die Gläser aus der kleinen Ortschaft
im bayerischen Wald auch in der Metropole New York bekanntmachten. Die New York Times berichtet in ihrer Ausgabe vom 21. Februar
1915 zur Eröffnung der Weltausstellung in San Francisco:„Among the miscellaneous German exhibits are wines, gold-worked and embossed
glassware from Theresienthal (...)“. Andere Glasfabriken werden nicht erwähnt.
Der US-amerikanische Glashändler H. J. Howe in Syracuse, New York, lässt das Vorwort eines Prospekts über
das feine Glas aus Theresienthal in den zwanziger Jahren mit folgenden Worten beginnen: „In the prettiest and most
secluded part of the famous Bayern Woods in Bavaria, with the historic and picturesque blue Danube as its nearest
neighbor, nestles the primitive little village of Theresienthal, famous the world over, for ist exquisitely beautiful
glass.“
Ein Schlaglicht auf die Situation der Arbeiter in der Glasfabrik Theresienthal wirft der Bericht der Sozialdemokratischen Partei
Deutschlands (Sopade) aus dem Juli 1935 über einen Streik in der Glashütte. Wenn dieser vermutlich auch die tatsächliche Situation
überzeichnet, so wird er dennoch nicht jeder Grundlage entbehren: „Die Kristallglasfabrik Theresienthal hat eine Belegschaft
von ca. 100 bis 120 Mann. (...) Die Glashütte Theresienthal ist schon sehr alt. Dort ist der Glasmacherberuf über Generationen
vererbt. Die Arbeiter sind an Hunger und Elend gewöhnt. Sie haben nie menschenwürdige Verhältnisse gekannt. (...) Alte Arbeiter
sagen auch, daß sie wohl schon viel schlechte Zeiten mitgemacht haben, daß es ihnen aber noch nie so erbärmlich gegangen ist wie
jetzt. Bei einer Arbeitszeit von 48 Stunden verdienen die Glasmachergehilfen in der Woche 6 - 7 Mark, die Facharbeiter 12 Mark.
(...) Angeregt durch die Vorgänge in der Glasfabrik Frauenau sind die Arbeiter Anfang des Monats in einen 3tägigen (sic!) Streik
getreten.“
Zum Vergleich: Im Jahr 1933 verdiente ein Arbeiter in Deutschland durchschnittlich 120 - 150 RM netto im Monat. Ein Brot kostete
ca. 0,40 RM, ein Ei ca. 0,11 RM, 1kg Kartoffeln ca. 0,06 RM, 1 Liter Milch ca. 0,20 - 0,25 RM, 1 Liter Bier ca 0,70 RM.
Trotz der schwierigen Situation in der Mitte der dreißiger Jahre wurde Theresienthal 1937 auf der Pariser Weltausstellung erneut
eine Goldmedaille verliehen. Der Zweite Weltkrieg aber brachte die Produktion der Glashütte völlig zum Erliegen. Wie schon
während des Ersten Weltkriegs brach nicht nur die Nachfrage nach Luxuswaren ein, auch die Versorgung der Glashütte mit Rohstoffen
sowie mit Arbeitskräften wurde mit Fortdauer des Krieges zunehmend schwieriger. Mit ihren Arbeitskräften verlor die Glashütte immer
auch einen Teil der über Generationen weitergegebenen handwerklichen Fähigkeiten und des Wissens um Herstellungsverfahren und
Produktionsabläufe.
Erst am Ausgang der vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts konnte die Glashütte, nun als Kommanditgesellschaft, allmählich mit der
Produktion wieder beginnen. Auch gelang es, die Geschäftsbeziehungen nach Übersee in den fünfziger Jahren neu zu beleben.
Nach dem Tod seines Bruders Hans am 19. März 1950 führte Egon von Poschinger die Glashütte alleine, bis er am 1. Mai 1963 Max
Gangkofner, den Direktor der Glasfachschule in Zwiesel, als Teilhaber aufnahm. Mit dem 1. Januar 1973 wurde Max Gangkofner alleiniger
Geschäftsinhaber der Hütte. Damals arbeitete die Glashütte mit drei Öfen und 14 Häfen und beschäftigte 227 Menschen. Bereits zu
dieser Zeit scheint der Glashüttenbetrieb mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten belastet gewesen zu sein, denn wohl zur finanziellen
Konsolidierung holte Max Gangkofner sich mit der Firma Hutschenreuther einen Partner ins Boot, der die Geschicke der Glashütte
in den nächsten Jahrzehnten maßgeblich bestimmen sollte.
Im November 1974 war die Glashütte zur Hälfte, 1982 dann zur Gänze im Besitz der Porzellanfabrik Hutschenreuther, Selb, und firmierte
unter dem Namen „Theresienthaler Krystall- und Porzellanmanufaktur“. Anfang der siebziger Jahre arbeiteten in Theresienthal noch
mehr als 250 Menschen. In den folgenden Jahrzehnten verringerte sich die Belegschaft nach und nach. Laut einer Statistik der
Industrie-Gewerkschaft Chemie, Papier, Keramik vom Oktober 1985 waren Anfang der achtziger Jahre noch 195 Menschen in der Glashütte
beschäftigt. Viele Glasartikel, die in dieser Zeit in Theresienthal entstanden, wurden nie mit dem Namen der Glashütte in Verbindung
gebracht, kamen doch zahlreiche Geschenkartikel, Vasen und andere Dinge nur unter dem Namen der Firma Hutschenreuther in den Handel.
Dadurch geriet die Marke Theresienthal in weiten Teilen der Kundschaft und des Fachhandels beinahe in Vergessenheit. Bei der
Neuausrichtung des Hutschenreuther Konzerns im Verlauf des Jahres 1996 und der Konzentration auf das Kerngeschäft kam der
Glashütte keine Bedeutung mehr zu. Theresienthal sollte verkauft werden.
Anfang Januar 1997 übernahm Ralph Wenzel das Werk von der Hutschenreuther AG. Er hatte große Pläne, und wollte an das frühere
Renommee der Marke Theresienthal anknüpfen. Er beauftragte renommierte Designer wie Wolf Karnagel, Volker Hundertmark oder
Heike Phillip mit der Entwicklung neuer Glasserien und gründete ein neues Zweigwerk „Theresienthal Brandenburg“ sowie eine neue
Verkaufsniederlassung in unmittelbarer Nachbarschaft des Schlosses Hohenschwangau. Allerdings scheiterten seine Unternehmungen.
Am 25. Mai 2000 musste die Theresienthaler Krystallglasmanufaktur Insolvenz beantragen. Die Schließung der Glashütte konnte jedoch
noch einmal für kurze Zeit abgewendet werden.
Das Unternehmen hieß fortan Krystallglasmanufaktur Theresienthal GmbH und machte sich unter neuer Geschäftsleitung daran, die
fast 170 Jahre alte Tradition der Glashütte fortzuführen. Fast sah es so aus, als könnte der Absturz der Firma mit den noch rund
70 Arbeitern und Angestellten von einem Schweizer Unternehmen aufgefangen werden, doch am 2. Oktober 2001 stellte der Betriebsratsvorsitzende
Georg Schreder auf Grund lange ausgebliebener Lohnzahlungen erneut Konkursantrag; die Produktionsstätte war bereits im
Mai 2001 geschlossen worden.
Bis November 2002 konnte kein Käufer für die Glashütte gefunden werden, und der Versteigerungstermin am 13. November 2002 brachte
auch keinen neuen Eigentümer. Im Frühsommer 2003 verlautete, dass Teile des Theresienthaler Glashüttenkomplexes unter Denkmalschutz
gestellt werden sollten: das um 1910 erbaute Haus, die Absprengerei und Schleiferei, und das aus dem Jahr 1835 stammende Haus Nummer 25,
der Veredelungsbau und das Ofenhaus mit seinem mächtigen Satteldach.
Ob diese Entwicklung dazu beitragen könnte, dass es für die Glashütte Theresienthal noch einmal eine Chance gäbe,
blieb lange Zeit offen. Jedenfalls baute der Insolvenzverwalter auch nach den sich über drei Jahre hinziehenden
schwierigen Verhandlungen mit möglichen Neubesitzern und dem zweiten, am 2. Juli 2003 zweiten ohne Ergebnis
verstrichenen Versteigerungstermin immer noch auf das Interesse möglicher Investoren.
Mitte Juni 2004 gab es für Außenstehende erste Hinweise darauf, dass doch noch einmal ein Anlauf unternommen werden
würde, die Tradition der Glashütte Theresienthals nicht völlig untergehen zu lassen. Und in der Tat, Anfang August
2004 nahm die neugegründete Kristallglasmanufaktur Theresienthal GmbH ihren Betrieb auf. Ermöglicht wurde dieser
Neustart durch die „Stiftung Theresienthal“, initiiert durch die Eberhard von Kuenheim Stiftung und maßgeblich
unterstützt durch die Alfred Herrhausen Stiftung. Unter dem Dach der Stiftung Theresienthal entstanden eine
gemeinnützige Theresienthal GmbH, die die Markenrechte und Immobilien vom Insolvenzverwalter kaufte, sowie für das
operative Geschäft die Kristallglasmanufaktur Theresienthal GmbH. Die neue Kollektion nach den erfolgreichen Vorlagen
der vergangenen Jahrzehnte bzw. Jahrhunderte wurde im Frühjahr 2005 auf der Messe „Ambiente“ in Frankfurt vorgestellt.
Anfang April 2006 schließlich verkaufte die Stiftung Theresienthal die Mehrheit der Anteile an der GmbH an den
Bankkaufmann Max von Schnurbein. Seither befindet sich die Glashütte Theresienthal mit rund 20 Mitarbeitern auf einem
zwar steinigen Weg, der aber, so sieht es im Frühjahr 2008 aus, durchaus zu einer neuen Blüte der alten Glasfabrik
führen kann.
Ansichten der Glashütte Theresienthal im Juni 2004
Auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Glashütte zu Beginn des 21. Jahrhunderts
wirft folgende Beobachtung ein Schlaglicht: Im Herbst 2002, mehr als ein Jahr stand die
Produktion Theresienthals bereits still, und es konnten in der Glashütte lediglich noch
vorhandene Gläser für etwa 10% unter dem Listenpreis erworben werden, wurden bei einem
großen Internetauktionshaus sechs Sektrömer „Kurfürst" mit Jagdgravour für insgesamt
53,--Euro verkauft, sowie ein Römer „Dürnstein" für 30,--Euro. Ein bemalter Römer „Palais",
angeboten für 30,--Euro, blieb unverkauft. Im Fachhandel sollten die sechs Sektrömer
bereits 1986 mehr als DM 200,-- kosten, Mitte der neunziger Jahre bereits hätte für den
Römer Palais ein Betrag von rund DM 260,-- zu Buche geschlagen, und im Jahre 2001 mussten
für einen Römer „Dürnstein" in der Glashütte 140,40 DM (DM 156,-- betrug der Listenpreis
für den Handel) bezahlt werden.
Zu derselben Zeit konnte der Autor dieser Seiten
über dasselbe Internetauktionshaus neun Weinrömer erwerben, die der Vorbesitzer, der Anfang
der achtziger Jahre als Außendienstverkäufer Facheinzelhandelsgeschäfte in einem großen
Bereich Süddeutschlands für Theresienthal betreute, um 1980 als Vorführgläser von der
Glashütte übernommen hatte. Allesamt Römer, die kurze Zeit später aus dem Programm
genommen und nie wieder produziert wurden oder aber als Mustergläser, die nie in Serie
gehen sollten, nur in sehr wenigen Exemplaren hergestellt worden waren. Der Preis für
diese Raritäten: rund 200,--Euro, nicht einmal 25,--Euro je Glas!
Hier tut sich zumindest für die Römerkollektion Theresienthals ein tiefer Graben auf zwischen
den zuletzt am Markt erzielbaren Preisen und dem Betrag, der zur wirtschaftlichen Herstellung
und Vermarktung dieser handwerklichen Kostbarkeiten notwendigerweise durchzusetzen gewesen wäre.
Die "Geiz ist geil"-Mentalität, die nur den Preis vergleicht, aber nicht den Wert schätzt, lässt
auch für die nahe Zukunft kein Umdenken erwarten.
Ebenfalls nicht verkaufsfördernd war und ist die Politik vieler Glashandlungen, die wohl die
Preisliste und einige Prospekte, kaum aber eins der höherpreisigen Gläser Theresienthals ihren
Kunden präsentieren konnten. Wer gibt dreistellige Beträge aus für Produkte, die sich nur im Bild
eines Prospektes betrachten lassen? Welcher Glasliebhaber möchte das Objekt seines Interesses
nicht vor dem Kauf in die Hand nehmen und es von allen Seiten ausführlich betrachten? Zudem
wurden die Gläser Theresienthals meist nur dann den Kunden vorgestellt, wenn ausdrücklich nach
Gläsern aus Theresienthal gefragt wurde. Aktiv beworben wurden sie in den Einzelhandelsgeschäften
kaum, Informationen zu der Glashütte und ihren Produkten über die vorliegenden Prospekte hinaus,
waren in den meisten Einzelhandelsgeschäften nicht zu erhalten. Und: Die ganze Breite der
Produktpalette blieb selbst überdurchschnittlich informierten Glasinteressierten verborgen,
wandten sie sich nicht direkt an die Hütte oder ihre Handelsvertreter. So existieren Römer,
nachweislich nach 1986 produziert, die nie den Weg in Preisliste und Prospekte fanden und so,
wenn überhaupt, nur im heute seltenen engagierten Facheinzelhandel präsentiert wurden.